Schadensfälle in der Druckindustrie

Mangelnde Schmitzringpflege kann zu Kapitalschäden führen

„Rattermarken“ (rote Pfeile) bei Druckanfang und Druckende an der Schmitzrnglauffläche.

An einer Bogendruckmaschine kommt es immer mehr zu drucktechnischen Problemen beim Drucken von Vollflächen. Die von der Druckerei selbst durchgeführten Unter-suchungen ergaben, dass offensichtlich Querstreifen auftreten, die sich von der Antriebseite zur Bedienseite ziehen. Man versuchte sich selbst zu helfen mit neuen Drucktüchern, kalibrierten Unterlagen, Optimierungen der Vorstufe, leider ohne erkennbaren Erfolg. Jetzt wurde unser Sachverständiger mit der Ursachensuche beauftragt.

Gleichzeitig wurde die Maschinenbruchversicherung rein vorsorglich über mögliche Maschinenschäden in Kenntnis gesetzt.

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Ortstermin

Beim durchgeführten Ortstermin konnten die Querstreifen bei der Produktion von Kissprints sehr schnell nachgewiesen werden. Kissprints werden ohne Feuchtwasser, nur durch die Einfärbung über das Farbwerk, hergestellt. Die Druckbeistellung zwischen Drucktuchzylinder und Gegendruckzylinder wird Zug um Zug bis auf Null reduziert, also nahezu kontaktlose Berührung. Bei 8.000 Bogen pro Stunde Produktionsgeschwindigkeit werden dann Druckwerk für Druckwerk diese Kissprints produziert.

Vorzugsweise verwendet man die Druckfarbe Cyan und Bilderdruckpapier, glänzend mit einem Flächengewicht von 135 g/m² aus der Schmalbahn. Damit ist gewährleistet, dass Einflüsse des Papiers weitestgehend ausgeschlossen sind. Ebenso wurden neue Drucktücher mit kalibrierten Unterlagen montiert. Die Aufzugstärke der Drucktuchoberfläche über den Schmitzringen wurde mit einem Aufzugsmessgerät gemessen und mit den Vorgaben des Maschinenherstellers verglichen.

Die Auswertungen der Kissprints zeigten an allen Druckwerken Querstreifen von der Antrieb- zur Bedienseite, welche schon deutlich bei einer Zustellung in Höhe von 0,06 mm zwischen Drucktuch- und Plattenzylinder erkennbar sind. Diese Streifen beginnen etwa 5 mm nach Druckanfang, haben einen Abstand zwischen 5 mm und 8 mm, sind im Bereich gegenüber dem Zylinderkanal nicht mehr vorhanden, und sind zum Druckende hin wieder deutlich erkennbar.

Schmitzringe

Die weiteren Begutachtungen der Schmitzringe der Platten- und Gummituchzylinder zeigten deutlich erkennbare Querstreifen über die Schmitzringbreite. Diese Querstreifen korrelieren mit dem Vorhandensein der Streifen auf den Kissprint-Druckbogen. Auch sind die Laufflächen der Schmitzringe im Kanalbereich und gegenüberliegend hierzu ohne Auffälligkeiten. Gemeinsam mit dem Maschinenhersteller und der Druckerei wurde entschieden, vier Schmitzringe des Platten- und Gummituchzylinders eines Druckwerks auszutauschen, um diese im Labor detailliert zu untersuchen.

Laboruntersuchungen

Zunächst wurden Oberflächenhärte, Einsatzhärtetiefe, Materialspezifikation und Rauhigkeit an den ausgebauten Schmitzringen gemessen. Auffälligkeiten waren nicht festzustellen. Im Bereich der schon mit dem „unbewaffneten“ Auge deutlich erkennbaren „Rattermarken“ (siehe Abbildung) wurde an der Konturmessmaschine eine Welligkeit in der Größenordnung bis zu einer maximalen Amplitude von 20 µm (= 0,02 mm) gemessen. Diese Wellenkontur beginnt circa 5 mm nach Druckanfang, circa 35 mm vor Druckende endet diese Wellenkontur. Somit korrelieren die gemessenen Welligkeiten mit den Streifen der Kissprints.

Nach Maßgabe des Maschinenherstellers ist eine Rundlauftoleranz von 5 µm (= 0,005 mm) an den Laufflächen des Schmitzringe zulässig. Die weiteren, sehr aufwändigen, Untersuchungen, unter anderem mit Hilfe der Rasterelektronenmikroskopie, im Bereich der „Rattermarken“ ergaben, dass Materialausbrüche zusammen mit herausgerissenem Schmitzringmaterial nachweisbar waren. Das von einer Schmitzringlauffläche herausgerissene Material lagert sich als „Aufschmierung“ auf den Laufflächen des Schmitzringpaares ab. Eine Wellenform ist definitiv vorhanden. Hohe Flächenpressung und vor allen Dingen mangelnde Schmierung mit der Folge großer Reibung im Wälzkontakt beschleunigen diesen Effekt. Sind die Schmitzringe einmal mit der festgestellten Welligkeit vorgeschädigt, dann tritt ein deutlich hörbares „Hämmern“ (Abheben, Stoß mit starker Kraftüberhöhung) beim Betrieb der Bogendruckmaschine auf. Ein schneller Verschleißfortschritt ist die Folge.

Schadenumfang

Der Schadenumfang an der Bogendruckmaschine für den Austausch der Schmitzringe liegt im sechsstelligen Euro-Bereich. Die Betriebsunterbrechung ist hierbei gar nicht berücksichtigt. Aus Sicht unseres Sachverständigen handelt es sich trotzdem um ein unvorhergesehenes Ereignis eines Maschinenbruchs, welches über die üblichen Maschinenbruchpolicen abgedeckt ist.

Zusammenfassung

In Zeiten immer stärkerer Maschinenauslastungen, kürzerer Wartungsintervalle, immer aggressiverer Waschmittel darf die Schmitzringpflege nicht zu kurz kommen. Vor allen Dingen sind die Laufflächen nach Vorgabe des Maschinenherstellers zu pflegen und regemäßig zu schmieren. Hierfür gibt es am Markt Schmieröle, welche gleichermaßen korrosionshemmend und optimal schmierend für die Laufflächen sind. Das Wartungsverhalten wie auch die Möglichkeit der automatischen Schmierung der Laufflächen sollte aufgrund der gesteigerten Anforderungen mehr in den Fokus von Maschinenbetreibern und Maschinenhersteller rücken.

Dr. Colin Sailer, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Druckmaschinen, Offset- und Tiefdruck, berichtet aus der Praxis. Er betreibt ein Ingeni­eur- und Sachverständigenbüro.

Mail: colin.sailer@web.deTel.: 089/69388594www.print-und-maschinen­bau.de