Ein Gutachter berichtet aus der Praxis

UV-Lackierung: Probleme bei der Bogentrennung

Lackeigenschaften „OK“ = gut verarbeitbare UV-Lackierung; „K + N“ = UV-Lackierung mit Haftprob­lemen auf der Druckfarbe; „B“ = UV-Lackierung mit Blockerscheinungen; „G“ = UV-Lackierungen aus Reklamation mit schlechtem Gleitverhalten; „H“ = Muster wie „G“ nach erhöhter Druckbelastung ­(Stapellast).

Für eine Auflage von Werbeprospekten sollte während einer längeren Regenperiode im Sommer eine einseitige Spotlackierung mit UV-Lack im Siebdruck aufgebracht werden. Die Bogen-Rückseiten wurden vollflächig lackiert. Während der Produktion waren keine Auffälligkeiten festzustellen, jedoch ließen sich die Bogen an der Schneidmaschine nur mit Mühe trennen. In der Falzmaschine war kein Bogenabzug möglich. Dem Lackierbetrieb wurde vorgeworfen, durch eine unzureichende Aushärtung des UV-Lacks für die Probleme verantwortlich zu sein.

Nach Aussage des Lackierbetriebs waren während der Produktion keine Auffälligkeiten festzustellen, das heißt die Lackhaftung und Kratzbeständigkeit auf den farbintensiven Drucken bildete keinen Grund zu einer Beanstandung. Ebenso wurde bestätigt, dass durch mehrfache Tests der Acetonbeständigkeit die Aushärtung der Lackierungen geprüft wurden und die im Trockner eingestrahlte UV-Dosis – mittels UV-Radiometer gemessen – bei mehr als 300 mJ/cm² gelegen hat. Nach Erfahrungswerten ist bei dieser Strahlungsdosis eine optimale Aushärtung gewährleistet.

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Was wurde beanstandet? Nach der Auslieferung der Drucke erfolgte unmittelbar eine Reklamation, dass sich die abgestapelten Bogen an der Schneidmaschine lediglich mit Mühe trennen lassen und in der Falzmaschine kein Bogenabzug möglich ist. Dem Lackierbetrieb wurde vorgeworfen, durch unzureichende Aushärtung des UV-Lackes für die Probleme verantwortlich zu sein.

Untersuchung Reklamationsursache

Laut dem beiliegenden Datenblatt war der eingesetzte UV-Lack als nicht klebefähig bezeichnet, wodurch sich Rückschlüsse ziehen ließen, dass dem Lack zur Verbesserung des Gleitverhaltens Silikone beigemischt waren. Auch Messungen der Oberflächenspannung mit Werten < 35 mN/m bestätigten den Zusatz von Silikonen. Der Verdacht einer unzureichenden Aushärtung und daraus resultierend, eine gewisse Restklebrigkeit des UV-Systems, bestand somit nicht zu unrecht.

Die ersten Prüfungen bezogen sich auf einen Blocktest der beanstandeten Lackierungen unter variablen Belastungen und erhöhter Temperatur von 40 °C im Wärmeschrank. Als überraschendes Ergebnis zeigte sich nach Abschluss der Tests, dass in Bereichen der Belastungen von 1 N/cm² bis 20 N/cm² eine Trennung der Proben, ohne Klebeerscheinungen der Lackflächen gegeneinander, möglich war. Der Verdacht einer unzureichenden Aushärtung des UV-Lackes bestätigte sich somit nicht.

Im nächsten Schritt der Untersuchungen wurden Messungen der Haftreibung nach DIN 53119-2 vorgenommen. Nachdem für das Gleitverhalten von UV-Lacken keine Empfehlungen oder Normenvorgaben bestehen, wurden vergleichende Prüfungen mit verschiedenen Produkten mit UV-Lackierungen durchgeführt. Für Abstufungen der Gleiteigenschaften kamen Proben zum Einsatz, die eine bekannte Vorgeschichte bezüglich aufgetretener Mängel beziehungsweise problemloser Lackierung aufweisen. Neben den lackierten Proben aus der aktuellen Reklamation wurde eine Probe (Nassmuster) des gleichen Lackes im Labor verarbeitet und unter konstanten Bedingungen ausgehärtet. Vor den Reibungsmessungen wurden alle Proben unter Normklimaverhältnissen (23 °C und 50% relative Luftfeuchtigkeit) für eine Stunde gelagert.

Die Ergebnisse der Rutschwinkel der verschiedenen Proben sind im Diagramm dargestellt. Lackierungen, die nicht im Zusammenhang mit Reklamationen standen (Lackeigenschaften „OK“; grüne Säulen) weisen Rutschwinkel im Bereich zwischen 10° und 23° auf. Eine wegen mangelnder Klebeband- und Nagelfestigkeit beanstandete Lackierung (Lackeigenschaften „K + N“; blaue Säule) bewegte sich mit 23° im gleichen Rutschwinkelbereich wie die nicht blockenden Lackierungen. Die aus Reklamationen stammenden blockenden Lackierungen (Lackeigenschaften „B“; rote Säulen) hingegen wiesen auch bei der relativ geringen, in der Norm geforderten Belastung von 0,05 N/cm², hohe Rutschwinkel von 27° bis 38° auf. Mit mehr als 28° Rutschwinkel lagen die wegen Problemen der Bogentrennung beanstandeten Lackierungen (Lackeigenschaften G; braune Säulen) in relativ hohen Bereichen, ähnlich den blockenden Mustern.

Strengere Prüfungen

Während der Prüfungen war aufgefallen, dass bereits nach manuellem, geringen Druck auf die Proben die Lackierungen kaum noch zu trennen waren. In Anlehnung an die Reibungsmessungen nach DIN 53119-2 wurden anschließend die Prüfungen nochmals unter verschärften Bedingungen vorgenommen. Die beschichteten Proben wurden vor der normengerechten Prüfung für 60 Sekunden mit 1,25 N/cm² belastet. Diese Belastung liegt im Bereich einer „normalen“ Stapelbelastung von Druckprodukten, die nicht zu hoch aufgestapelt werden. Die anschließenden Messungen der Haftreibung boten eine Überraschung.

Nach der kurzen Druckbelastung stiegen bei den beiden Lackierungen (Lackeigenschaften „H“; braun schraffierte Säulen) die Rutschwinkel auf 63° bis 65° an. Dieses Verhalten, selbst bei Normklima (23°C, 50% relative Luftfeuchte) wies eindeutig darauf hin, dass das Stapelverhalten der Lacke unzureichend ist. Keines der anderen geprüften Lackmuster wies vergleichbare negative Eigenschaften auf.

Fazit

Die Untersuchungen zeigten eindeutig, dass eine Lackeigenschaft zu der Reklamation beigetragen hat. Obgleich der UV-Lack als nicht klebefähig ausgewiesen war und Gleitmittel (Silikone) enthielt, zeigte dieser unter Druckbelastung ein ungewöhnliches Verhalten, das allgemein als „Glasplatteneffekt“ bekannt ist. Glatte Flächen, wie Glasplatten, können nach Auftrag eines dünnen Feuchtigkeitsfilms, zum Beispiel durch anhauchen, nahezu untrennbar aneinander haften. Diesem Verhalten sollte der Silikongehalt eigentlich entgegenwirken. Vermutlich wird trotzdem durch etwas veränderte Stapellast (Spotlackierung) und eventuell erhöhte Raumluftfeuchte während der Regenperioden das Gleitverhalten negativ beeinflusst.

In jedem Fall erscheint es als gute Idee, wenn Hersteller von UV-Lacken im Hinblick auf deren Trennverhalten während des Sommerhalbjahrs Silikate als Abstandhalter beimischen können.