Interview mit der Antiquaria-Preisträgerin Karin Schmidt-Friderichs

Jahrelanges Dranbleiben in der Typografie wird belohnt

Karin und Bertram Schmidt-Friderichs.(Bild: BjørnFehlPhotography)

Es ist beileibe nicht die erste Ehrung, aber vielleicht doch eine ganz besondere. Am Eröffnungsabend der Antiquariatsmesse in Ludwigsburg wurde dem Verlegerpaar Karin und Bertram Schmidt-Friderichs der mit 10.000 Euro dotierte „Antiquaria-Preis für Buchkultur“ überreicht. Anlass zu einem Gespräch mit der Verlegerin – über Auszeichnungen, „knuffige“ Buchformate und neue Projekte.

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Raffinessen der Typografie

print.de: Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem Antiquaria-Preis 2018?
Karin Schmidt-Friderichs: Das ist für uns beide wirklich etwas Besonderes. Hier wird ja nicht eine Einzelleistung belohnt, sondern das „Dranbleiben“ über einen längeren Zeitraum. Die Preisverleihung hat meinen Mann und mich sehr berührt, wir haben heimlich das eine oder andere Tränchen verdrückt …

print.de: Weitere frohe Botschaften kamen zum Jahresbeginn vom Type Directors Club of New York – gleich drei Titel aus dem Verlag Hermann Schmidt wurden ausgezeichnet …
Karin Schmidt-Friderichs: Darüber freuen wir uns sehr. Solche Auszeichnungen reichen wir aber direkt an die Gestalter weiter, die Sektkorken knallen dann also bei den Kreativen. Wir verstehen uns da als Coaches, als Trainer, als Motivatoren. Umso mehr freut uns der Antiquaria-Preis, der nun die Trainer geehrt hat.

print.de: Mit „niße“ hat ein Buch über das Eszett beim TDC gewonnen …
Karin Schmidt-Friderichs: Das freut mich ganz besonders, denn dies ist nun wirklich ein spezielles Thema. In der internationalen Jury scheint es Typo-Nerds zu geben, die an solchen „Schriftmustersammlungen“ ihren Spaß haben und vielleicht auch an den zusätzlichen kleinen Typoraffinessen …

print.de: … die da wären?
Karin Schmidt-Friderichs: Es handelt sich ja um eine klebegebundene Broschur mit freiem Rücken. Liegt das Buch aufgeschlagen da, sieht man, dass er innen bedruckt ist: am oberen Rand mit dem Titelwort, am unteren mit unserem Verlagssignet. Auf der Einband­rückseite erscheint zudem der Strichcode als fettes „ß“. Es ist schön, wenn Menschen, die bei den vielen Gesprächen auf dem Weg vom Konzept zum fertigen Buch nicht dabei waren, spüren, dass wir nicht ruhen, bevor jedes „i“ sein Tüpfelchen hat.

print.de: Dazu gehören auch das Einbandmaterial und das Format …
Karin Schmidt-Friderichs: Für dieses Sternen blinkende Zeichen-Universum fand Bertram ein Einbandleinen mit Glitzereffekt, es handelt sich um Schabert Magic. Und das Format? Das wollte ich unbedingt „knuffig“ haben.

print.de: Herausgekommen ist ein handliches, kompaktes Buch, erschienen zur offiziellen Aufnahme des Versal-Eszett ins amtliche Regelwerk des deutschen Rechtschreibrates am 29. Juni 2017.
Karin Schmidt-Friderichs: Gleichsam ein „Schnellschuss“. Die Produktion begann im Sommer, das Buch erschien pünktlich zur Frankfurter Buchmesse. Wir haben hier an ein Projekt anknüpfen können, das wir ursprünglich abgelehnt hatten. Hannah Häußer (man beachte das Eszett im Namen …) und Max Borchert von der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste hatten sich mit einer Sammlung zum Buchstaben „r“ beworben; uns war das damals zu beliebig. Nun sind wir den Beiden extrem dankbar, dass sie trotz unserer Absage für die Idee zu niße offen waren und den Ball sofort weitergespielt haben. Aber mit dem Eszett passte es nun. Die beiden präsentieren „ß“-Versionen von 400 Google Fonts, 86 sind mit der Versal-Glyphe auf der Höhe der Zeit – geradezu eine Sehschule für Schriftdetails.

print.de: Einen Überraschungscoup haben Sie im Herbst 2016 mit dem Kalender „An Apple a Day“ gelandet. Wie kam es dazu?
Karin Schmidt-Friderichs: Im Grunde durch Zufall, beim Obstschnippeln frühmorgens in der Küche. Jochen Rädeker war zu Besuch und wir blieben am Thema Apfel hängen. Bertram mit seinem Hang zum Enzyklopädischen begab sich ins Mainzer Stadtarchiv, um tiefer zu schürfen, und wurde hier zum halben Pomologen. Es war offensichtlich: Die beiden Männer waren infiziert, wollten unbedingt etwas daraus machen – ich war ehrlich gesagt hellauf entsetzt … Der Verlag Hermann Schmidt und ein Kalender über alte Apfelsorten? Wir haben es schließlich doch gemacht. Die „Schnapsidee“, das Ganze in ein Sperrholzkistchen zu verpacken, bescherte uns am Ende noch einige schlaflose Nächte – der Erfolg hat uns dann geradezu überrollt und letztlich dazu veranlasst, für 2018 nachzulegen. Aller guten Dinge sind drei: Für 2019 wird es letztmalig einen weiteren Apfel-Kalender geben.

Neuland betreten

print.de: Welche konkreten Projekte gibt es für 2018?
Karin Schmidt-Friderichs: Gerade ist die neue Ausgabe des Titels „Generative Gestaltung“ erschienen. Das Autorenteam von 2009 hat alles überarbeitet, aktualisiert und verschlankt. Das Thema bleibt aktuell, bietet sich hier doch die Chance, eigene digitale Werkzeuge zu entwickeln. Neuland betreten wir mit dem Buch, das anlässlich des 70-jährigen Bestehens Israels im Mai erscheinen wird. Anhand von Plakaten aus den verschieden­sten Bereichen (Konsum, Militär, Kultur etc.) zeichnen zwei Gestalterinnen die Landesgeschichte nach. Die „Rhythmusbindung“, wie wir die asymmetrische Falzung mit unterschiedlich breiten Seiten nennen, ermöglicht es, das Buch auf zwei Arten zu blättern: In die eine Richtung zeigt sich das Plakatdesign, in der anderen die Hintergrundinformation. [siw – 4456]

Stets mit hohem Anspruch an Inhalt, Form und Ausstattung: die Bücher und Kalender des Verlegerpaars Schmidt-Friderichs.

 

 

 

 

 

 

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