Kommentar von Torsten Uhlig über die Auswirkungen der Rohstoffknappheit

Rohstoffknappheit als Forschungsimpuls

Torsten Uhlig schreibt über Rohstoffknappheit
Torsten Uhlig

Die Corona-Pandemie 2020 hat vieles verändert, was vorher für undenkbar gehalten wurde. Insbesondere wurde sehr deutlich, welchen wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Schwächen die europäische Industrie ausgesetzt ist. Das hat Folgen. 

Anzeige

Das schnelle Anspringen der Industrieproduktion in China – nach der Pandemie – löste 2021 eine Rohstoffnachfrage aus, die so enorm war, dass die Rohstoffe gar nicht erst nach Europa gelangten, sondern in Fernost blieben. Trotzdem ist eine Umkehr der Abhängigkeit vom chinesischen Markt nicht ohne weiteres möglich. China ist das einzige Land weltweit, welches eine weitreichende Zukunftsstrategie zur Unabhängigkeit für die Chemiebranche entwickelt hat. Ziel ist es, in der Chemieproduktion komplett unabhängig vom Rest der Welt zu sein, was die Rohstoffsituation in Europa entsprechend beeinflusst. In der Quintessenz heißt das, dass Rohstoffe überhaupt nicht verfügbar sind oder exorbitante Preissteigerungen hingenommen werden mussten und müssen. Zusätzlich belastend kam der globale Mangel an Containern hinzu oder die vorübergehende Schließung von Häfen.

Diese Situation verlangte, z.B. von Farb- und Lackherstellern, ein hohes Maß an Kreativität und Flexibilität. Im Allgemeinen eine eher konservative Branche, die im Eiltempo mit Rezepturänderungen oder Ersatzrohstoffen reagieren musste. Nun wird überall mit Vehemenz und Hochdruck die Suche nach alternativen Rohstoffen forciert. Der Umbau des Produktportfolios hin zu biobasierten und nachhaltigen Produkten bekommt nun eine noch höhere Bedeutung. Dies geschieht nicht nur aus Umweltbewusstsein, sondern schlichtweg aus wirtschaftlichem Druck. Unabhängigkeit vom asiatischen und US-Markt und damit Liefersicherheit haben Priorität für die Unternehmen, um in Zukunft zu bestehen. Der Krieg in der Ukraine und dessen globale Auswirkungen zeigen auf, wie wichtig es ist, Alternativen zu bisherigen Quellen zu generieren.

Rohstoffknappheit setzt kreative Prozesse in Gang

Aber Krisen bieten auch Chancen. Bezogen auf die Druckindustrie heißt das, dass Umsetzungen, die noch vor Kurzem als Nischenmarkt angesehen worden sind, an Bedeutung gewinnen. Ein Beispiel ist das Konzept des Druckfarbenherstellers Pure Ink Systems, dessen Produkte ohne Erdölderivate auskommen, recycle- und biologisch abbaubar sind. Es fehlt nicht an guten Ideen. Ansätze die noch vor ein paar Jahren als nicht umsetzbar galten, werden mittlerweile realisiert, dazu das Beispiel Verbundmaterial: PE-beschichtete Materialien können nicht recycelt werden, d.h. in der Papiersortieranlage werden Verbundmaterialien aussortiert und der Verbrennung zugeführt. Angesichts der Ressourcensituation für Papier- und Karton ein untragbarer Zustand, dass Rohstoffe nicht wieder genutzt werden können. Eine Lösung für diese Problematik sind wasserbasierte Barrierelacke: mit ihnen kann eine Vielzahl von Anwendungen ersetzt werden, wo heute noch PE-Beschichtung verwendet wird.

So gibt es vielversprechende Versuche umweltfreundliche Monomaterialien herzustellen, indem klimafreundliche Materialien wie Hanfpapier oder Zuckerrohrpapier mit wasserbasiertem Lack beschichtet werden. Und es wäre nicht das erste Mal, dass eine globale Rohstoffknappheit bei der Forschung den entscheidenden Impuls für bahnbrechende Innovationen auslöst. Man darf gespannt sein.


Torsten Uhlig ist Druckexperte, Techniker und Berater in der grafischen Industrie. Mit seinem Unternehmen TU Solutions setzt er den Fokus auf Oberflächen: Veredelungen, Lacke, Beschichtungen, Spezialanwendungen und Problemlösungen.