Das Thema Werbepost in einer virtuellen Podiumsdiskussion

Der Kampf um den Briefkasten

Die Dänen halten an der "Opt out"-Regelung fest. Werbepost darf zugestellt werden, so lange der Empfänger nicht wiederspricht - z.B. mit einem entsprechenden Aufkleber am Briefkasten.
Die Dänen halten an der "Opt out"-Regelung fest. Werbepost darf zugestellt werden, so lange der Empfänger nicht wiederspricht - z.B. mit einem entsprechenden Aufkleber am Briefkasten.(Bild: Letzte Werbung e.V.)

Nicht adressierte Post im Briefkasten ist ein wichtiges Werbe- und Kommunikationsinstrument für Handel, Verbraucher, Dienstleister, Städte, Gemeinden sowie gemeinnützige Organisationen. Doch genau solche gedruckten Informationen will die Initiative „Letzte Werbung e.V.“ deutlich reduzieren. Der Verein setzt sich dafür ein, dass Hauswurfsendungen zukünftig nur noch in Briefkästen mit einem Aufkleber „Werbung erwünscht“ eingeworfen werden dürfen. Am 2. Juni 2021 gibt es zu diesem Thema von 18:00 bis 19:30 Uhr eine virtuelle Podiumsdiskussion.

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In der Druckindustrie sorgt derzeit die Initiative „Letzte Werbung e.V.“ für Furore. Der Verein möchte die Menge der Hauswurfsendungen deutlich zurückfahren.

Wer keine Hauswurfsendungen erhalten möchte, kann dies bislang auf dem Briefkasten durch einen Aufkleber „Keine Werbung“ kundtun. Die Initiative „Letzte Werbung“ will dieses Opt-out zu einem Opt-in umkehren und kämpft dafür, dass Hauswurfsendungen zukünftig nur noch in Briefkästen mit einem Aufkleber „Werbung erwünscht“ geworfen werden dürfen. Den Berechnungen des Vereins zufolge könnten so „14% des privaten Papiermüll-Aufkommen“ eingespart werden. Auf seiner Website heißt es, „in ganz Deutschland liegt das Potential bei ca. 66.000 Müllabfuhren pro Jahr mit einem Fassungsvermögen von je 12 Tonnen“.

Zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe überreichte der Verband im vergangenen Dezember 97.033 Unterschriften „gegen ungewollte Werbepost“ an das Bundes-Justizministerium. Auch die Katholische Landjugend-Bewegung Deutschlands (KLJB) macht sich für diese Initiative stark. Und auf Parteienebene befasst sich mittlerweile das Bündnis 90/Die Grünen aktiv mit dem Thema. Die Landtagsfraktion der Grünen in Thüringen hatte erst kürzlich unter dem Motto „Werbung – Nein Danke!? Ungewollte Werbepost und Ressourcenverschwendung stoppen“ eine virtuelle Podiumsdiskussion veranstaltet. Auch Vertreter der Druckbranche haben sich hier zu Wort gemeldet.

Gedruckte Hauswurfsendungen, also Prospekte, Beilagen, Gemeindebriefe, Flyer oder Parteienwerbung, stehen für ein beträchtliches Auftragsvolumen in der Druck-, Medien- und Werbewirtschaft. Deshalb setzt sich der Bundesverband Druck und Medien e.V. (bvdm) gemeinsam mit dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW), dem Handelsverband Deutschland (HDE), dem Verband Deutscher Papierfabriken e.V. (vdp), dem Deutschen Dialogmarketing Verband e.V. (DDV) und dem Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter e.V. (BVDA) gegen eine Umstellung der Gesetzeslage für Hauswurfsendungen von Opt-out zu Opt-in ein.

„Es kann nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger über Hörfunk, Fernsehen und Internet uneingeschränkt Werbung oder Informationen regionaler Organisationen erhalten dürfen, aber für Print ein Verbot gelten soll, wenn man der Zustellung nicht explizit zustimmt“, kritisiert Dr. Paul Albert Deimel, Hauptgeschäftsführer des bvdm, das Anliegen der Initiative, „zumal die Nachhaltigkeitsargumente für diese Einschränkung auf sehr, sehr dünnem Eis stehen“.

Die sechs Verbände führen vor allem wirtschaftliche und soziale Argumente ins Feld, bezweifeln aber auch die Zahlen der Initiative, was die ökologischen Effekte betrifft. So würden Hauswurfsendungen lediglich 2,2% „des Gesamteinsatzes Papier, Karton und Pappen in Deutschland“ ausmachen. Auch das Thema Arbeitsplätze ist ein Argument: Wie der ZAW betont, sind in der Anzeigenblattzustellung ca. 200.000 Beschäftigte tätig. In der Direktverteilung sind es mehr als 100.000 Zusteller. Nimmt man noch die Druckbranche, die Maschinen- und Consumableshersteller für den Druckprozess hinzu, errechnet der ZAV „rund eine halbe Million Beschäftigte“, die „am Wirtschaftsprozess Hauswurfsendungen beteiligt“ seien. Auch die sozialen Aspekte seien nicht zu vernachlässigen, schließlich erreichen Initiativen von Kirchen, Parteien, Vereinen und anderen gemeinnützigen Organisationen via Briefkasten die Bevölkerung. Außerdem informieren sich viele Menschen durch Werbepost als primäre Informationsquelle. Dürfte der durch die Coronakrise gebeutelte stationäre Handel nicht mehr in der bestehenden Form werben, würde man diesen Firmen zusätzlich das Wasser abgraben.

Um das Thema Hauswurfsendungen in wirtschaftlicher, sozialer und umweltrelevanter Hinsicht zu diskutieren, lädt die Allianz der Verbände am 2. Juni 2021 in der Zeit von 18:00 bis 19:30 Uhr zu einer virtuellen Fachdiskussion ein.

Es diskutieren:

  • Dr. Ralph Dittmann, Geschäftsführer der WKS Druckholding GmbH
  • Martin Jacobi, Vizepräsident REACH, Deutscher Dialog Marketing Verband e.V.
  • Sebastian Sielmann, Initiative Letzte Werbung e.V.
  • Prof. Dr. Stefan Ansgar Gäth, Abfall- und Ressourcenmanagement, Universität Gießen
  • Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Professor für Wirtschaftsrecht, Humboldt Universität Berlin

Moderation: Wirtschaftsjournalistin Dr. Ursula Weidenfeld

Unter folgendem Link können Sie sich zu dem Livestream vorab anmelden: https://zaw.de/anmeldung-online-dialog/

Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie auf der Website des bvdm: https://www.bvdm-online.de/fileadmin/Praesentationen/Praesentation_Der-Wert-der-Werbepost.pdf

 

Update 7.10.2021: Hier geht’s zur Aufzeichnung der Diskussionsrunde “Der Wert der Werbepost – das Für und Wider von Hauswurfsendungen” auf Youtube.

Update 10.6.2021: In Frankreich wurde ein Gesetzentwurf für ein Opt-in-Verfahren eingebracht. Alles Wichtige darüber können Sie hier lesen.

Update 14.6.2021: Bei der Bundesdelegiertenkonferenz (11.-13.6.2021) der Partei Bündnis 90/Die Grünen mussten sich die Delegierten mit zahlreichen Änderungsanträgen zum Bundestagswahlprogramm befassen. Einer dieser Anträge hat gefordert, dass das Opt-out an den Briefkästen nach Amsterdamer Vorbild in ein Opt-in umgewandelt werden soll. Ins Wahlprogramm ist diese Forderung aber letztlich nicht aufgenommen worden. Dort findet sich nun unter der Überschrift „Das Ende des Mülls“ die abgeschwächte Forderung: „Es soll kein Müll mehr verursacht und die Ressourcenverschwendung gestoppt werden. Das kann nur gelingen, wenn Hersteller*innen und Müllverursachende stärker in die Verantwortung genommen werden und das Konzept der Kreislaufwirtschaft ganzheitlich bei Design, Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten berücksichtigt wird. Unerwünschte, oft sogar noch in Plastikfolie eingepackte Werbung gehört nicht in unsere Briefkästen.“ Diese Formulierung lässt sich mit dem bisherigen Opt-out-Verfahren in Einklang bringen.