Dank technisch ausgefallener Lösungen wie Rollenoffset mit LED-UV-Trocknung: “Kyburz kann alles”

Firmengründer Konrad Kyburz am AMS-Trockner der Octoman

„Technologie-getrieben“ und doch kundenorientiert? Dass sich beides erfolgreich ergänzt, zeigt die Schweizer Druckerei Kyburz AG. Frühzeitige Investition und technisch ausgefallene Lösungen wie Rollenoffset mit LED-UV-Trocknung machen den selbstbewussten Slogan möglich: „Kyburz kann alles“. Dieses „Alles“ steht für die ganze Bandbreite komplexer personalisierter Mailings, auf die sich Kyburz seit den späten 1980er Jahren spezialisiert hat.

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Erfolg im Hochlohnland

Seit 1972 ist der frühere Züricher Spitzenfussballer und gelernte Drucker Konrad „Koni“ Kyburz in Dielsdorf selbstständig, einige Kilometer nördlich der Schweizer Metropole Zürich. 1987 konnte er im Industriegebiet ein großes Grundstück erwerben. In vier Bau-etappen wuchs dort das Unternehmen seither beständig und produziert aktuell mit 130 Mitarbeitern auch im Hochlohnland Schweiz erfolgreich und profitabel. Der Jahresumsatz beträgt rund 25 Mio. Franken. Bereits im Jahr 2007 hat Koni Kyburz die Geschäftsleitung seinem Sohn Patrick übertragen. Damit ist die Weiterführung als Familienunternehmen gewährleistet.

Personalisierte Mailings, Gewinnspiele und Coupons – Beispiele aus dem Portfolio

Zu den Kunden gehören unter anderem Banken, Autohersteller sowie Non-Profit-Organisationen oder Auftraggeber der öffentlichen Hand. Bei diesen Kunden kann es vorkommen, dass personalisierte Mailings mit einer Auflage von bis zu vier Mio. Exemplaren gedruckt werden. Pro Jahr werden 10.000 Tonnen Papier und 110 Tonnen Farbe zu kreativen Druck-Erzeugnissen mit Rubbelfeldern, Selbstklebe-Etiketten, Codierungen, Pop-up Effekten, haptischen Effekten oder anderen Veredelungen verarbeitet.

Maßgeschneidert und spektakulär

In diesem Jahr hat Kyburz wieder mit einer spektakulären Investition auf sich aufmerksam gemacht: Im August 2021 wurde eine maßgeschneiderte Inline-Drucklösung, bestehend aus einer Canon ProStream 1800, einer komplett individualisierten Finishing-Anlage von i-Web sowie einem „CD Autosplicer“-Abroller von Contiweb in Betrieb genommen. Die Anlage erstreckt sich über zwei Ebenen und ist so bis heute weltweit einzigartig. Nach über 80 Metern unterbruchsfreier Digitaldruck-Produktion kommen komplette gefalzte, geklebte und lackierte personalisierte Mailings auf dem Auslegeband heraus.

Und wiewohl Kyburz heute im Digitaldruck das Produktionsverfahren der Zukunft sieht, hatte er vor vier Jahren mit einem spektakulären Schritt seinem Rollenoffset noch gänzlich neue Möglichkeiten eröffnet. Inspiriert vom japanischen Druckunternehmen Kinmei entschloss sich Koni Kyburz, seinen klassischen, gasbetriebenen Heißlufttrockner an der Manroland Octoman durch eine LED-UV-Trocknung von AMS Baldwin zu ersetzen.

Hier wurden früher „stündlich 2.300 Kubikmeter 420 Cel. heisse Luft herausgeblasen“. Jetzt ist die Farbe „in einer Millisekunde durchgehärtet“, so Koni Kyburz.

Die Octoman, bereits 1987 installiert und nach 2000 nochmals mit neuen Druckwerken ausgestattet, ist ein komplexes Produktionsmittel, das plano (über einen Vits Rotocut Querschneider) oder gefalzt auslegen kann. Oder die Bahn wieder aufwickeln, um die Rollen dann auf einer der zwei bis zu 50 Meter langen Offline-Finishing-Anlagen im Haus weiterverarbeiten zu lassen. Unter anderem Leimaggregate, mehrere Pflugfalzeinrichtungen und Kodak Prosper S10 Inkjet-Systeme zur Personalisierung setzen den Möglichkeiten auf der Octoman aber auch bei Inline-Produktion kaum Grenzen. Ganz nach dem Motto „Kyburz kann alles“.

Stop-and-go zum Einrichten

Das bedeutet aber auch, dass die Mitarbeiter an der Maschine Tüftler sein müssen und ein Einrichtungsvorgang schon mal viele Stunden dauern kann. Ein Blick in den Druckmusterschrank zeigt, was auf der Octoman produziert wird: Vielfach perforierte Coupon-Prospekte, komplexe Gewinnspiel-Flyer und personalisierte Mailings, teils formgestanzt oder mit Gold-Metallic-Farben. Um so etwas einzurichten, sollte die Bahn einerseits im Einziehtempo oder noch langsamer zu fahren sein, andererseits der Druck (und die Trockung!) funktionieren. Viele Jahre war dies für das Kyburz-Team eine schwierige Aufgabe.

Bis Koni Kyburz durch den AMS-Trocknerspezialisten Carsten Barlebo überzeugt wurde, dass LED-UV-Trocknung auch für den Rollenoffset geeignet ist. Neu war das Verfahren und der Partner AMS für Kyburz nicht: Als erste Druckerei in Europa hatten die Schweizer bereits im Jahr 2014 den Bogenoffset im A1-Format auf LED-UV umgestellt. Koni Kyburz: „Für unsere Kunden und die eigenen Fachleute war das eine echte Erfolgsgeschichte.“ Ein Kurzbesuch in Japan machte schließlich den Weg auch im Rollenoffset frei und im März 2017 wurde der Heißlufttrockner an der Octoman abgestellt.

Die Hintergründe erläuterte Koni Kyburz einmal so: „Wir sind die Spezialisten für exklusive Fertigprodukte, diese neuen Möglichkeiten sind für uns ein riesiger Vorteil. Tiefe Anlaufgeschwindigkeit, Stop-and-go zum Einrichten und maximale Leistung im Fortdruck, viel weniger Ausschuss. Die Farbe wird in einer Millisekunde nagelhart, ohne das Papier auszutrocknen. Kein Tellern, keine Wellenbildung, kein Auswachsen des Inhaltes, bessere Druckqualität, vor allem auf Naturpapieren, UV-Lack in hoher Qualität, auch Silber- und Goldfarbe – und das alles geruchsneutral.“

Lohnender Aufwand

Aber Kyburz räumt auch ein: „Der komplette Umbau war ein harter Weg.“ Die Druckwerke mussten zusammen mit Manroland auf UV-Farben angepasst werden. Andere Walzenbezüge, Gummitücher, Wascheinrichtungen. Der Druck mit UV-Farben verlangt von den Druckern große Disziplin. Doch der Firmenchef versichert, dass keiner seiner Mitarbeiter an der Maschine zum Heißlufttrockner zurück wolle. Kyburz: „Der Aufwand hat sich gelohnt. Noch nie hatten wir eine so hohe Qualität und Produktivität.“

 

„Kyburz produziert keine warme Luft mehr“

Aus einer Kyburz-Infobroschüre zum LED-UV-Rollenoffset

 

Auf Grund der komplexen Aufträge, des großen Einrichteanteils und relativ niedriger Durchschnittsgeschwindigkeiten rechnet sich der Umstieg. Die deutlich teureren UV-Farben (Faktor ca. 3:1) werden durch die Einsparung bei Gas und Strom, die geringere Makulatur und effizientere Einrichtevorgänge mehr als wettgemacht. Koni Kyburz spricht von Gesamteinsparungen im sechsstelligen Bereich. Aber er sagt auch: Das Gesamtkonstrukt muss passen. Die ebenfalls betriebene 16-Seiten Rotoman bei Kyburz läuft nach wie vor konventionell. Auflagen und Produktstruktur eignen sich hier nicht für den Umstieg auf UV-Farben.

Wenn Koni Kyburz heute den LED-UV-Trockner von AMS Baldwin demonstriert, ist man immer noch von den Dimensionen verblüfft: ein kleiner, kaum einen halben Meter breiter Kasten beherbergt zwei lediglich zwei Trockner-Balken vom Typ XP9, je einer für die beiden Seiten der Bahn. Die zwei Trockner mit je 965 mm Breite sind ausreichend für eine Geschwindigkeit bis 5 m pro Sekunde. Und da die Octoman nur einen Zylinderumfang von 452 mm hat, erreicht die Bahn z.B. bei 35.000 Überrollungen pro Stunde nur eine Geschwindigkeit von 4,4 m/s.

Weltweit für LED-UV-Trocknung im Einsatz: Carsten Barlebo von AMS, einem Unternehmen der Baldwin Technology Group

Laut Hersteller AMS Baldwin können 300 % Farbdeckung in CMYK bei Dichtewerten gemäß ISO 12647-2 aushärten. Der Trockner arbeitet bei einer Wellenlänge von 385 nm (+/- 10 nm). Carsten Barlebo: „Die Trocknungszone ist lediglich 25 mm breit.“  Für Koni Kyburz ist „die UV-Technologie aus Umweltschutz-Sicht eine der saubersten Anwendungen“. Das Härten der Farbschicht in drei Dimensionen sei optimal: „Vollständig getrocknete UV-Farben sind kein Gesundheitsrisiko.“ Wartung für das AMS-System sei kaum nötig. Lediglich die Wasserkühlung, die mit 18 Grad Celsius warmem Wasser arbeitet, muß im Blick behalten werden. Für die Trocknerbalken wird durch den Hersteller eine Lebensdauer von 30.000 Betriebsstunden angegeben.

Gleiche Farbe im Bogenoffset

Im Alltag ist es hilfreich, dass die Farben, die bei Kyburz im LED-UV-Bogenoffset und auf der Octoman eingesetzt werden, identisch sind. So sind „hybride“ Produktionen problemlos möglich. Man vertraut sicherheitshalber auf zwei Lieferanten: Siegwerk und Toyo Ink. Und nicht ganz von ungefähr sind dies jene Farbhersteller, die laut Axel Fischer vom Deinking-Verband Ingede das Problem gelöst haben, die aushärtenden UV-Farben deinkbar zu machen. Siegwerk werden von Fischer hier „100 von 100 Punkten“ bescheinigt, bei Toyo Ink gilt dies zumindest für einzelne Farbserien.

Umweltfreundlichkeit und Bogendruck-Qualität auch von der Rolle („das muss es in der Schweiz schon sein“) sind Faktoren, mit denen Kyburz seine Marktposition verteidigt. Der allerdings wichtigste Punkt ist die unbedingte Zuverlässigkeit. Personalisierte Großauflagen sind hier Alltag. Da fängt die Kontrolle bei der Datenübernahme an und endet nicht an den W+D-Kuvertiersystemen, wo Umschläge und die einzusteckenden Teile mit Kameras abgeglichen werden. Wenn nur der geringste Zweifel an 100-Prozent-Qualität besteht, werde schon mal eine ganze Lastwagenladung an der Grenze gestoppt und zur Nachprüfung zurückbeordert, unterstreicht Koni Kyburz .

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Noch eine Nische

Theo Buchmeyer, Vice President Business Development & Product Management der Manroland Goss Group, bestätigt, dass sich immer wieder Rollenoffsetdruckereien in aller Welt mit der Alternative „LED-UV-Trockung“ auseinandersetzen. Und einige Drucker, vor allem in Japan, sind diesen Weg gegangen – solche, bei denen das Thema Qualität und Kompatibilität mit dem Bogendruck eine große Rolle spielt. Buchmeyer: „Wenn Manroland-Goss-Kunden diese Umstellung vornehmen wollen, unterstützen wir das.“ Aber Manroland Goss sieht die Kombination LED-UV und Rollenoffsetdruck ganz klar noch als eine „Nischenanwendung“.