Menschen in der Druckindustrie: Prof. Dr. Barbara Dörsam

Die Exotin im Printbereich

Druckindustrie: Barbara Dörsam, Professorin für Software-Entwicklung für Medienapplikationen an der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart
Barbara Dörsam, Professorin für Software-Entwicklung für Medienapplikationen an der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart. (Bild: HdM Stuttgart)


Eigentlich kommt Barbara Dörsam gar nicht aus der Druckindustrie. Trotzdem hat die Professorin für Software-Entwicklung für Medienapplikationen an der HdM in Stuttgart die Hochschule schon oft mit Ideen für neue Printprodukte sowie einem eigenen Web-to-Print-Shop bereichert.

 

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Eng an der Druckindustrie dran

Als Professorin für Software-Entwicklung für Medienapplikationen an der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM) ist Prof. Dr. Barbara Dörsam in erster Linie in der Informatik zuhause. Das hat sie studiert, darin hat sie promoviert, beides an der Universität Karlsruhe. Es folgten diverse Jobs in der Industrie, unter anderem bei einem Internet-Start-up sowie einem Zulieferunternehmen für die Automobilindustrie. Jedes Mal ging es dabei um Software-Entwicklung. Daneben arbeitete sie als Dozentin an der Dualen Hochschule in Stuttgart.

Irgendwann kam der Ruf an die HdM und damit der Zeitpunkt, sich zwischen Industrie und Lehre zu entscheiden. „Und da schlug mein Herz doch für die Lehre“, stellt sie fest. Eine Entscheidung, die sie nicht bereut hat, auch wenn sie, wie sie selbst sagt, mit ihren Themen immer ein bisschen „die Exotin“ an der Hochschule war. „Ich bin jetzt seit zwölf Jahren an der HdM und habe damals im früheren Studiengang Druck- & Medientechnologie angefangen“, berichtet Prof. Dörsam. Dort unterrichtete sie die angehenden Druck- und Medieningenieure in Themen wie „Grundlagen der Software-Entwicklung“ und Ähnlichem. Seitdem dieser Studiengang im englischsprachigen Print & Media Technologies aufgegangen ist, ist Prof. Dörsam im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen angesiedelt. Ihre Themen sind beispielsweise Software-Engineering allgemein oder auch die „Entwicklung von Webanwendungen“. Dabei handelt es sich um ein Veranstaltungsmodul, in dem die Studierenden eigene Projekte entwickeln können (und sollen), um so praktische Erfahrungen zu sammeln.

 

Intelligente Printprodukte

Aber obwohl sie eigentlich eher in der digitalen Welt zuhause ist, gab und gibt es regelmäßig Berührungspunkte mit der Druckindustrie, für die es immer wieder intelligente Anwendungen zu entwickeln gibt. Eines der Projekte unter Prof. Dörsams Verantwortung war beispielsweise die Entwicklung des preisgekrönten HdM-Web-to-Print-Shops, über den Mitarbeiter und Studierende der Hochschule eigene Druckaufträge ordern können – seien dies Marketingprodukte, Postkarten, Flyer, Broschüren, Studienführer, aber auch Bachelorarbeiten, Masterthesen etc. Gedruckt und verarbeitet werden die Jobs in der hauseigenen Druckerei im Digitaldruck.

„Da die personellen Ressourcen für solche Aufgaben beschränkt sind, ist ein hoher Automatisierungsgrad wichtig“, erläutert Prof. Dörsam den Hintergrund des Shops, der den früheren manuellen Bestellprozess abgelöst hat. Im Wintersemester 2018/2019 wurde der Shop erstmals aufgesetzt – mit insgesamt 14 Produktvarianten. Während der Corona-Zeit lag er nahezu brach. Aktuell wird er überarbeitet, soll ansprechender, moderner und vielseitiger werden, um auch in der Post-Covid-Ära wieder Fahrt aufzunehmen.

Menschen aus der Druckindustrie

Ein weiteres Projekt aus Prof. Dörsams Ideenschatz war das HdM-Kochbuch „Das Handbuch der Mahlzeiten“, das Studierende mit dem Studienschwerpunkt Digital Publishing über zwei Semester hinweg entwickelt haben. Die Anwendung ist mittlerweile zwar bereits zehn Jahr alt, doch vor dem Hintergrund der zahlreichen Kochportale mit einem schier uferlosen Fundus an Rezeptvorschlägen immer noch eine clevere Idee.

Basis für die nach persönlichen Vorlieben zusammengestellte Rezeptsammlung war eine selbstentwickelte Website, die sich aus einer damit verknüpften Datenbank mit jeder Menge Kochrezepten speiste. Über eine daran angedockte Web-to-Print-Lösung konnten sich die Studierenden aus dem großen Rezeptfundus online ein individuelles Kochbuch „zusammenklicken“, das anschließend gedruckt und verarbeitet wurde – individuell und einzigartig. Neben der Datenbank, der Website und der Web-to-Print-Anwendung zählten natürlich auch Konzeption, Gestaltung sowie die drucktechnische Umsetzung des Kochbands zum Projekt. Dabei wurden die ersten Exemplare durch ein spezielles Verfahren im Offset- und Digitaldruck gedruckt sowie bei der Weiterverarbeitung einzeln gebunden und beklebt.

Auch wenn’s ums Wandern geht sind intelligente digitale Anwendungen in Verbindung mit Web-to-Print denkbar. Die ebenfalls von den Studierenden entwickelte Smartphone-App Hi(gh)King kann beispielsweise exakt die abgelaufenen Wanderrouten tracken. „Wann immer ich wandern gehe, kann ich die App starten, die dann meine GPS-Daten sammelt“, erklärt Prof. Dörsam. Die so ermittelte Route wird automatisch auf einer Karte dargestellt; Fotos, die auf der Tour entstanden sind, können eingebunden werden, so dass der Nutzer auch im Nachhinein noch genau weiß, wo diese entstanden sind. Wird anschließend aus den Karten und den Bildern ein PDF für den Druck erstellt, ergibt sich quasi auf Knopfdruck ein individuelles Wanderurlaubs-Fotobuch.

 

Das intelligente Zuhause

Die Idee für dieses spezielle Projekt mag etwas zu tun haben mit Prof. Dörsams eigenen Interessen: Wandern zählt zu ihren Steckenpferden, nicht zuletzt weil ihr Natur und Umwelt sehr am Herzen liegen. Damit einher geht der Wunsch, aktiv etwas zum Umwelt und Klimaschutz beizutragen und so kombiniert sie in ihrer Freizeit dieses Anliegen mit ihrer Leidenschaft und ihrem Know-how in Sachen Informatik. Das Ergebnis ist ein höchst intelligentes Zuhause, das sie gemeinsam mit ihrem Mann, seines Zeichens Elektroingenieur, entwickelt hat und stets weiter optimiert.

Im Kern geht es darum, den Strom, der über eine Photovoltaikanlage erzeugt wird, optimal zu verbrauchen. Dafür werden beispielsweise Stromfresser wie Waschmaschine, Wäschetrockner oder auch die Ladestation fürs E-Auto automatisch angesteuert und dann in Betrieb genommen, wenn die Solaranlage gerade viel Strom produziert – sprich: Wenn die Sonne scheint. Ist das Wetter schlecht, kann die Wäsche vielleicht auch nochmal ein bisschen warten. Läuft die Maschine schon – um bei diesem Beispiel zu bleiben –, während sich gerade das Wetter eintrübt, wird der Verbrauch auch im laufenden Betrieb automatisch optimiert: Dann bekommt vielleicht das Auto etwas weniger Strom oder die Spülmaschine muss warten. Auf diese Weise lassen sich Verbrauchsspitzen abfedern und die Nutzung des Stroms aus dem allgemeinen Netz verringern.

Es ist ein Herzensprojekt für Barbara Dörsam und zugleich ein Showcase dafür, dass man auch selbst aktiv etwas tun kann. „Natürlich werden wir mit unserer Solaranlage nicht die Welt retten, aber wir können mit kleinen Schritten etwas zum Klimaschutz beitragen“, konstatiert die Professorin.

 

Es gibt sicherlich noch einige Bereiche in der Druckindustrie,
die sich automatisieren oder mithilfe von Softwarelösungen
optimieren lassen.“

 

Auch ihren Studentinnen und Studenten konnte sie diese Anwendung nahebringen. In einem Projekt mit dem Titel SmartEE haben zehn Studierende eine solche Anwendung als Modell nachgebaut. Die Software simuliert dabei einen Haushalt inklusive Solaranlage und sämtlicher elektrischer Geräte, die im Alltag regelmäßig genutzt werden. Herzstück der Anwendung ist das Energie-Management-System, das die vorhandene Energie verwaltet und so auf die Verbraucher aufteilt, dass möglichst wenig Strom aus dem allgemeinen Stromnetz bezogen werden muss.

 

Die intelligente Druckerei

Auch die Druckindustrie als solches profitiert nach Ansicht von Prof. Dörsam von intelligenten Softwarelösungen. „Es gibt sicherlich noch einige Bereiche in der Druckindustrie, die sich mithilfe von Softwarelösungen optimieren lassen.“

Besonders in Sachen Logistik sieht die Professorin noch viel Potenzial. Gerade bei hochindividualisierten Druckanwendungen, die sich schnell, einfach und direkt aus dem Web erstellen und bestellen lassen, werde es darauf ankommen, wie gut die Dienstleistung im Hintergrund funktioniert, sprich: wie gut die Prozesse bei der jeweiligen Druckerei getaktet sind. „Solche Produkte werden nie out sein“, sagt sie, aber: „Gerade die jungen Kunden werden immer ungeduldiger“, so ihr Eindruck. „Niemand will mehr lange auf sein Produkt warten müssen.“

 

PROF. DR. BARBARA DÖRSAM

ist promovierte Informatikerin. Nach verschiedenen Positionen in der Industrie unterrichtet sie heute Software-Entwicklung für Medienapplikationen im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen Medien (Bachelor) an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Ihr Forschungsgebiet: Web-Anwendungen. Aktuelles Projekt: Die Ermittlung der CO2-Bilanz von Websites.

 


Das Porträt von Barbara Dörsam gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über „Menschen in der Druckindustrie“.
Ihr Porträt sowie Reportagen über weitere Menschen, deren Herz heftig für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2023 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.

 

 

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