Insider-Kolumne von Prof. Dr. Anne König aus Deutscher Drucker 5/2019

Galoppieren die Innovatoren unserer Branche allen Nachzüglern davon?

(Bild: Moritz Rennecke)

Im Februar 2019 stellte Alain de Serres, führender Volkswirt der OECD, beim Ifo-Institut in München seine Studien zu der Frage vor, warum eigentlich die digitale Revolution in den Industrieländern nicht zu einem anhaltend hohen jährlichen Produktivitätswachstum führt. Im Gegenteil, die Produktivität nimmt zwar noch zu, aber seit den 80er Jahren in immer geringeren Prozentsätzen.

Derzeit dümpeln wir gemeinsam um die ein Prozent, während in den Achtzigern noch weit über drei Prozent üblich waren. Gerne illustriert wird dies mit der bereits 1987 getätigten Aussage eines Volkswirtes: „You can see the computer age every-where but in the productivity statistics“. Er behielt bis heute Recht.

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Der in München vorgestellte Erklärungsansatz zu diesem auch als „Produktivitätsparodox“ benannten Phänomen stützt sich auf Branchen-Mikroanalysen auf Einzelfirmenebene. Sie zeigen eine große Produktivitätswachstumslücke zwischen den fünf Prozent der „Innovators“ und den restlichen 95 Prozent „Laggards“, den Nachzüglern. Und: Diese Lücke ist in digital-intensiven Branchen wesentlich größer als in Branchen, die weniger von der Digitalisierung getrieben werden.

Es gelingt also den Nachzüglern in digital-intensiven Branchen wesentlich schlechter, ihren Innovatoren im Produktivitätswachstum zu folgen, als in Branchen, die nicht so von der Digitalen Revolution betroffen sind. In Summe ergibt das dann ein geringeres Produktivitätswachstum der gesamten Branche.

Den Grund sieht die OECD darin, dass die konkrete Umsetzung von digitalen Innovationen auf Einzelfirmenebene wesentlich schwerer ist als andere Innovationen, und dadurch volkswirtschaftlich die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht voll genutzt werden können.

„Unsere Branche zeigt … eine erhebliche Produktivitätswachstumslücke
zwischen digitalen Innovatoren und Nachzüglern.

Unsere Branche ist „digital-intensiv“, sowohl wegen der betriebsinternen digitalen Vernetzung, als auch wegen der E-Commerce-Bestellportale. Beziehe ich die Schlussfolgerungen der OECD auf unsere Branche, ist da glaube ich viel dran. Nur ein Beispiel: Tauschte ein Unternehmen in den 80er Jahren seine Zweifarben-A3-Maschine in eine 4-Farben-IIIB, so mussten lediglich ein, zwei Drucker zur Weiterbildung geschickt werden, um die Produktivität im Drucksaal um das bis zu 12-fache zu erhöhen. Heute ist das deutlich schwieriger: Will ich ein E-Commerce-Bestellportal „nachmachen“, so benötige ich wesentlich mehr Managementwissen (Produktgruppen, Preisfindung, Online-Marketing) und IT-Know-how, um die Prozesse intern neu aufzustellen.

Der beste Drucker kann ja vermutlich keine IT, also brauche ich neues Personal bzw. massive Weiterbildung. Hinzu kommt die Komplexität jedes IT-Projektes, das auch gestandenen Online-Druckern den Schweiß auf die Stirn treiben kann. Ja, unsere Branche zeigt vermutlich auch statistisch sichtbar eine erhebliche Produktivitätswachstumslücke zwischen digitalen Innovatoren und Nachzüglern. Aber es gibt genügend Beispiele die zeigen, dass es gelingen kann.

→ Ihre Meinung? insider@print.de

Dr. Anne König (59) ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre der Druck- und Medienbranche an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Sie ist gelernte Druckerin und Druckingenieurin mit zehnjähriger Vertriebserfahrung. In Forschung und Lehre beschäftigt sie sich auch mit dem Wandel der Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung.

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