Digitale Transformation in der Druckindustrie

Wie die Künstliche Intelligenz den Vertrieb verändert

Die Herausforderungen im Vertrieb in der Druckindustrie sind seit Jahren dieselben – doch die Vertriebsprozesse ändern sich mit der Digitalisierung massiv. Wer hierbei nicht untergehen will, nutzt KI-Tools als Assistenz.
Die Herausforderungen im Vertrieb in der Druckindustrie sind seit Jahren dieselben – doch die Vertriebsprozesse ändern sich mit der Digitalisierung massiv. Wer hierbei nicht untergehen will, nutzt KI-Tools als Assistenz. (Bild: Pixabay)


Vertriebsmitarbeiter im Innen- und Außendienst von Druckereien sind verunsichert: Wird die Künstliche Intelligenz (KI) mit ihren Algorithmen schon bald zum Konkurrenten für die Vertriebsprofis werden, wie man es überall hört? Droht mittelfristig gar der Verlust des Arbeitsplatzes, weil die KI bei geringen Unterhaltskosten einheitlich, dauerhaft zuverlässig und im Vergleich zum Menschen überwiegend fehlerfrei arbeitet?

 

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Michael Becker, Leiter der Akademie Druck+Medien des VDM Nord-West und zugleich Unterstützer des groß angelegten „BigContentData“-Projekts für die Druck- und Medienwirtschaft in NRW, gibt Entwarnung. „Der aktuelle Stand der Technik und optimistische Zukunftsprognosen lassen nicht erwarten, dass der Vertriebler ersetzt werden wird. Die menschliche Komponente im B2B-Vertrieb“, da ist sich Becker ganz sicher, „ist nicht vollständig zu ersetzen; Kreativität, Em- und Sympathie, Charisma, Humor und kommunikative Fähigkeiten können aktuell selbst von fortschrittlichen KI-Tools nur begrenzt nachgebildet und schon gar nicht adäquat ersetzt werden!“

Druckindustrie: Michael Becker, Leiter der Akademie Druck + Medien des Verbands Druck + Medien Nord-West.
Michael Becker, Leiter der Akademie Druck + Medien des Verbands Druck + Medien Nord-West. (Bild: VDMNW)

Aber – und das weiß Michael Becker eben auch: Vertriebsprozesse verändern sich derzeit unter dem Einfluss von KI-Tools massiv. Und Vertriebsmitarbeiter müssen offen dafür sein, die KI in Einzelbereichen ihrer Arbeit als „Assistenz“ zu nutzen, um Abläufe zu optimieren und die eigene Arbeitsbelastung zu reduzieren. Denn KI ist inzwischen dazu in der Lage, zu einer messbaren Verbesserung der Vertriebsergebnisse beizutragen. Sie kann potenzielle Interessenten finden, Leads generieren, Kundenbedürfnisse identifizieren oder Kaufwahrscheinlichkeiten errechnen. Und das ist längst nicht alles …

 

Die Wandlung des Vertriebs in der Druckindustrie

An den Grundprinzipien eines erfolgreichen Vertriebs hat sich zunächst auch in Digitalisierungs-Zeiten nicht wirklich etwas verändert. Die wichtigen Stationen, um einen Kunden zu gewinnen, sind immer noch dieselben (siehe Grafik1 unten). Ein wichtiger Veränderungsprozess ist jedoch klar erkennbar, so Michael Becker: und zwar weg vom Massenmarketing und hin zu einer personalisierten Kundenansprache! Mittels Anwendungen der KI entstünden neue Vertriebs- und Vermarktungsansätze, Stichwort „Segment-of-one-Marketing“ (siehe Grafik2 unten), in denen jeder Kunde individuell angesprochen wird – im Gegensatz zur bisherigen Massensegmentierung mit gleicher Ansprache je Persona.

Druckindustrie: An den Grundprinzipien eines erfolgreichen Vertriebs hat sich auch in Zeiten der Digitalisierung nicht wirklich etwas verändert.
An den Grundprinzipien eines erfolgreichen Vertriebs hat sich auch in Zeiten der Digitalisierung nicht wirklich etwas verändert. (Bild: Akademie Druck+Medien Nord-West, Michael Becker)

Das Marketing bewegt sich also weg von der Standardisierung hin zur Individualität. Mithilfe prädiktiver Analyse können Unternehmen die Präferenzen ihrer Nutzer verstehen und basierend auf diesen Daten Empfehlungen abgeben. Ohne diese neuen Verkaufs- und Marketingtools beschränkten sich die „Daten“ der Vertriebsmitarbeiter bisher in der Regel auf eigene Erfahrungswerte, subjektive Intuition und vorgeschriebene Unternehmensstrategien. KI kann also erstens zur Verbesserung und Zielorientierung der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde beitragen, zweitens menschliche Fehler minimieren und drittens durch das Verarbeiten von immer mehr Daten Up- und Cross-Selling-Potenziale besser identifizieren und nutzen.

Druckindustrie: Mittels Anwendung der Künstlichen Intelligenz (KI) in Marketing und Vertrieb entstehen neue Vertriebs- und Vermarktungsansätze – zum Beispiel das individuelle „Segment-of-one“-Marketing statt einer standardisierten Massensegmentierung.
Mittels Anwendung der Künstlichen Intelligenz (KI) in Marketing und Vertrieb entstehen neue Vertriebs- und Vermarktungsansätze – zum Beispiel das individuelle „Segment-of-one“-Marketing statt einer standardisierten Massensegmentierung. (Bild: Akademie Druck+Medien Nord-West, Michael Becker)

Und wo genau kann die KI den Vertriebsprozess theoretisch unterstützen? Michael Becker hat vor allem fünf Bereiche identifiziert:

  • Automatisierung von Arbeitsprozessen, die Menschen ungerne erledigen (zum Beispiel die Aktualisierung von Kontaktdaten in CRM-Systemen)
  • Automatisierung von Arbeitsprozessen, die Menschen nicht erledigen können (etwa aus komplexen Datenmengen heraus Branchentrends erkennen und Verkaufsteams entprechend mit Datensätzen ausstatten)
  • Steigerung der Lead-Qualität und Verkürzung von Verkaufsprozessen (Algorithmen bewerten Leads nach KPIs (Key Performance Indicators), Höchstwerte bei den Kennzahlen bedeuten kaufsbereite Leads. Dies soll zu verkürzten Zykluszeiten bei Verkäufen führen)
  • Vorhersage von Cross- und Up-Selling-Möglichkeiten
  • Vorhersage von Umsatzprognosen in Bezug auf bestimmte Kundentypen (Ziel: Echtzeit-Personalisierung von Anzeigen; genauere, problemorientiertere Zielgruppenansprache; präzisere Kommunikation von Botschaften). Die KI ist in der Lage, gesamte integrierte Datenbanken zu scannen – von CRM-Anwendungen (Kundenaufträge) bis hin zu sogenannten Lead-Scoring-Tools. Diese Form des Machine Learning (ML) kann Kundenpersönlichkeiten aufbauen, die Umsatzpotentiale und Risikoprognosen beinhalten. Außerdem können hier auch Gruppen nach Merkmalen unterteilt werden.

 

Einsatzmöglichkeiten der KI

Im Vertriebsalltag kommen in all diesen Bereichen auch schon Algorithmen zum Einsatz. Michael Becker nennt Beispiele, wo Künstliche Intelligenz den Verkaufsprofi in Marketing und Vertrieb schon heute unterstützt:

  • Persönliche Assistenz im Vertrieb
    Administrative, fehlerintensive Aufgaben wie E-Mail-Postfach ordnen, Verwaltung von Terminen oder Kommunikation mit Kunden werden automatisiert, die KI lernt dabei stets dazu. Ein Beispiel hier wäre die „dialogorientierte Intelligenz“ Clara Labs, die jederzeit in E-Mail-Programme eingebettet werden kann. Aber auch Chatbots oder Social Bots im Web führen festgelegte Aufgaben autonom auf der Basis vorprogrammierter Verhaltensmuster eigenständig aus.
  • Flexible Anpassung von Preisen (Dynamic Pricing)
    Dynamische Preisgestaltung orientiert sich nicht an den Kosten, sondern an der Preisakzeptanz von Kunden sowie an Angebot und Nachfrage auf dem Markt. Als Datenbasis nutzt die KI-Preisoptimierung neben demografischen Merkmalen auch Ergebnisse aus der Analyse des Kundenverhaltens (in der Vergangenheit akzeptierte Preise; Verhalten ähnlicher Kunden; Faktoren, die zuletzt für erfolgreiche Abschlüsse relevant waren etc.)
  • Predictive Lead Scoring
    Beim Predictive Lead Scoring werden anhand von Prognose-Machine-Learning-Algorithmen bestehende Kunden analysiert, um zu ermitteln, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Lead (=Kontakt) als Kunde gewonnen werden kann. Dies soll die bisherige Subjektivität in der Beurteilung minimieren. Wenig aussichtsreiche Kontakte werden so von vornherein aussortiert, um den Vertrieb zu entlasten.
  • Forecasting
    KI und Predictive Analytics erhöhen hier bspw. die Qualität von Vertriebs-Forecasts und Umsatzprognosen. Unter Predictive Analytics versteht man in diesem Zusammenhang eine Methodik, um Muster in Daten mithilfe statistischer Verfahren zu identifizieren.
  • Cross- und Up-Selling
    Mithilfe Künstlicher Intelligenz lassen sich bereits vor dem Cross-Selling detaillierte Warenkorb-Analysen auf Basis von CRM- und ERP-Verkaufsdaten erstellen, um Wahrscheinlichkeiten für erfolgreiche Querverkäufe zu berechnen und vorherzusagen. Prognosen, welche Kontakte ausbaufähig sind und sich für zukünftige Projekte eignen, sind ebenso möglich.
  • Hyper Targeting
    Automatisierter Einsatz individueller Bewerbung. Das Anvisieren geeigneter Zielgruppen geschieht hier auf der Basis von demografischen Daten, Standortzuordnung via Geotargeting und Geofencing, Website-Aktivitäten, Social-Media-Aktivitäten, Google-Suchbegriffen etc.
  • Customer Satisfaction
    Selbstlernende KI-Systeme können auf Basis vorhandener Daten Kundenerfahrungen und damit auch die Kundenzufriedenheit verbessern. Mit jedem neuen Datensatz wird dazugelernt. Genutzt wird dies bspw. für Shopping-Assistenten/Produktfinder, Kundenbeschwerde-Chatbots, die schnellere Beantwortung von Kundenanfragen oder die Verwaltung von Kundenerfahrungen aus einer Omnichannel-Perspektive. Laut einer Studie des Capgemini-Instituts konnten 75% der Unternehmen, die KI und ML nutzen, die Kundenzufriedenheit um mehr als 10% erhöhen.
  • Customer Empathy Advisor
    Von Pega Systems entwickeltes KI-Tool bietet Unternehmen einen Rahmen für die Einbeziehung empathischer Überlegungen in jede Interaktion. Vorgegangen wird hierbei in drei Schritten: Zunächst wird das Empathie-Level einer jeden Kundeninteraktion gemessen, dann simuliert, welche Auswirkungen Empathie-Maßnahmen (auch ökonomisch) hätten. Zuletzt wird jene Strategie ausgewählt, die am besten auf die Interaktions-Bedürfnisse des jeweiligen Kunden zugeschnitten ist und den größten Erfolg verspricht.

 

 

Dieser Artikel, der nichts von seiner Aktualität verloren hat, ist ein Auszug aus dem Bericht „Vertriebsoptimierung in der Druckindustrie mit Künstlicher Intelligenz“, erschienen in Deutscher Drucker Nr. 8/2021. Dieses Magazin kann hier in unserem Onlineshop bestellt werden:

 

PDF-Download: Deutscher Drucker 8/2021

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Kommentare zu diesem Artikel

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  1. Grauenvoll dieses pseudowissenschaftliche anglizismengeschwängerte Marketinggeschwurbel. Ein Konglomerat aus Banalitäten in neuen Worthülsen und abenteuerlichen Theorien abseits jeder Realität. Dynamic Pricing finde ich da besonders nett oder auch Predictive Lead Scoring. Immer schön die Subjektivität eliminieren und durch “Maschinenintelligenz” ersetzen. Der Herr Akademie-Professor darf mich gerne mal begleiten zu meinen Kundengesprächen und anhand der Realitäten seine Theorien überprüfen.

    1. Ja genau. Die Subjektivität wird immer mehr eliminiert werden. Ob uns (oder dem Professor, der übrigens gar keiner ist) das nun gefällt, oder nicht …

  2. Der Artikel hätte auch im Fachorgan eines Automobilzulieferer oder eines Großhandels für Gastronomiebedarf erscheinen können.
    Ich vermisse hier jeglichen Bezug zur Druckbranche. Wo sind die spezifischen Anwendungsbeispiele?!
    Ohne diese Praxisbeispiele haben wir eine Aneinanderreihung von Behauptungen in “Denglisch” ohne Beweisführung.

    1. … nicht Behauptungen, sondern vielmehr Entwicklungsoptionen, in die sich der Vertrieb entwickeln könnte … in verschiedensten Branchen …