Insider-Kolumne von Bernhard Maatz aus DD22/2018

Alle Jahre wieder: neue Vorsätze und alte Gewohnheiten

In zwei Monaten ist Weihnachten und das Jahr 2018 Geschichte. Wenn die Lebkuchen und Dominosteine im Handel erstmalig angeboten werden, läuten viele Unternehmen den Jahres-endspurt mit der zündenden Rede ihres Geschäftsführers an die Leistungsträger im Verkauf und Drucksaal ein.

Während in der Leichtathletik unter einem Endspurt „die Beschleunigung des Tempos durch den verstärkten Einsatz aller Kräfte auf der Zielgeraden“ verstanden wird (Wikipedia), ist damit im Wirtschaftsleben die Mobilisierung aller Abteilungen durch Appelle zur Erreichung der Umsatzziele gemeint. Ob die Reden auf Seiten der Adressaten viel bewirken, sei dahingestellt. Sie beruhigen zumindest den Redner, weil er aus seiner Sicht alles getan hat, um mögliche Ergebnisabweichungen in aller Deutlichkeit zu verhindern.

Anzeige

An die Erledigung offener Projektaufgaben wird in diesem Zusammenhang so gut wie nie erinnert. Denn Vorhaben zur Verbesserung der Effektivität und Produktivität interner Prozesse und Strukturen sind in kleinen und mittelgroßen Unternehmen selten verschriftlicht. Es gibt keine klar definierten Wunschergebnisse bzw. Projektziele, keine verbindliche Zeit- und Kostenplanung, keine eindeutigen Arbeitspakete und Meilensteine und auch keine verantwortliche Projektleitung.

So muss sich niemand wundern und schon gar nicht rechtfertigen, wenn viele Ideen und Absichtserklärungen im Unternehmen herumgeistern, die immer mal wieder aufpoppen. Es ist also nicht so, dass Schwachstellen in den Abläufen nicht bekannt wären. Die Arbeits- und Unternehmenskultur ist mit Blick auf das Veränderungsmanagement aber eine hohle Nuss. Das alte Jahr wird mit großer Wahrscheinlichkeit wieder einmal mit neuen Vorsätzen beendet und das neue Jahr primär mit alten Gewohnheiten gestartet. Die Chance, Tabula rasa zu machen, wird nicht wahrgenommen.

Was sind die Ursachen dieser fehlenden Sensibilität und Professionalität für die Verbesserungsarbeit? Da ist zuerst einmal die industrielle Prägung vieler Geschäftsführer, Führungskräfte und Mitarbeiter. In der Industrie wurde „oben gedacht und unten gemacht“. Aufgrund dieser Arbeitsteilung kommt es noch heute vielen Mitarbeitern nicht in den Sinn, über den Tellerrand des eigenen Arbeitsplatzes hinauszudenken.

Zweitens fehlt es vielen Geschäftsführern an Verständnis für ihre Königsaufgabe, die Leistungsträger und Nachwuchskräfte ihres Unternehmens für das neue, auf Mitwirkung und Mitverantwortlichkeit beruhende Arbeitsverständnis zu sensibilisieren.

Von anderen schnelles Laufen zu verlangen, wenn man selbst nur langsam gehen kann, ist nicht überzeugend. Drittens ist die Verbesserung der Organisation und Infrastruktur „organisatorisch“ nicht verankert. Ein Qualitätsbeauftragter kann Zertifizierungen und Auditierungen organisieren und archivieren, aber nicht ein neues Bewusstsein auf Seiten der Mitarbeiter für Mitwirkung und Mitverantwortung erzeugen. Wird „ISO“ mit „Idioten sammeln Ordner“ übersetzt, läuft etwas schief.

Um Routine und Veränderung parallel zu planen, zu koordinieren und zu kontrollieren, hat sich die Installierung einer sogenannten Parallelorganisation bewährt. Die Geschäftsleitung kommt im Rahmen ihrer Arbeit zu unterschiedlichen Terminen zusammen, um das eine oder das andere zu tun. Die inhaltliche und zeitliche Differenzierung sorgt für eine Fokussierung entweder auf das Tagesgeschäft oder auf die Projektarbeit.

Kein Zeitpunkt ist besser geeignet als der bevorstehende Jahreswechsel, um einer Unternehmensorganisation wirklich entscheidende Impulse für das Jahr 2019 zu geben. Am Anfang steht eine Projektinventur, in der die Geschäftsleitung alle Führungskräfte und Leistungsträger bittet, ihre Verbesserungswünsche und dazu auch bereits gestarteten Vorhaben zu nennen.

Gemeinsam kann danach für jedes Vorhaben ein Projektauftrag formuliert werden. Dabei wird deutlich, welche Projekte höchste Priorität erhalten müssen. Mit der Terminierung eines Projektlenkungskreises gleich zu Beginn des neuen Jahres kann die Erneuerung des Unternehmens unter Einbeziehung qualifizierter und interessierter Mitarbeiter starten und monatlich hinterfragt werden. Dass eine Parallelorganisation signifikant bessere Geschäftsergebnisse bewirkt als eine traditionelle Organisation, wurde wissenschaftlich bewiesen.

Damit es bei der stetigen Erneuerung eines Unternehmen nicht nur bei guten Vorsätzen bleibt, ist Konsequenz gefordert. Oscar Wilde ist sicher ein schlechtes Vorbild. Er sagte: „Das einzig Konsequente an mir ist meine ewige Inkonsequenz.“ Ein Satz von Budda ist da viel motivierender: „Das Geheimnis des außerordentlichen Menschen ist in den meisten Fällen nichts als Konsequenz.“ Das Projektmanagement zur Verbesserung der Organisation muss ein Teil des Endspurts zur Erreichung der geplanten Unternehmensziele werden.

Ihre Meinung? -> insider@print.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.