Insider-Kolumne von Michael Dömer aus Deutscher Drucker 10/2019

Vor lauter „Troubleshooting“ bleiben die Ideen auf der Strecke

Unternehmen aus dem High-Volume-Illustrationsdruck sorgen aktuell für negative Schlagzeilen. Das ist nicht verwunderlich, denn die Gemengelage ist in diesem Teil der Branche hochtoxisch.

Ja, die Preispolitik ist seit vielen Jahren jenseits betriebswirtschaftlicher Vernunft. Ich selbst habe in 20 Jahren als Vorsitzender der Rollenoffsetorganisation EWA ständig die Marktteilnehmer ermuntert, nicht „um jeden Preis“ Kapazitäten auszulasten. Schaut man sich die Kapazitätsauslastung über die Jahre an, wäre dies tatsächlich meist nicht nötig gewesen.

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Dennoch: Es gibt nicht DEN Rotationsdruck, der sich in gleicher Weise wirtschaftlich unvernünftig verhält, sondern die Branche ist die Summe aller Unternehmen. Kürzlich sprach ich mit einem von Insolvenz betroffenen Unternehmer, der ausnahmsweise einmal nicht mit vollen Auftragsbüchern in die Knie gegangen ist. Er hatte es sich anders überlegt. Er wollte diesen wirtschaftlichen Schwachsinn nicht mitmachen. Er hatte bei seiner Insolvenz bessere Preise, aber nicht die nötige Auslastung. Einigermaßen gute Preise bei schlechter Auslastung sind leider ebenso fatal.

In jüngster Zeit machen wieder die selbst ernannten Konsolidierer Schlagzeilen. Ich rätsele in solchen Fällen oft, was da die Strategie war. Gab es eine? Oder nur die völlige Fehleinschätzung der Situation? Wer nach sehr kurzer Zeit eines „Großeinkaufs“ sagt, der Markt habe sich innerhalb von wenigen Monaten verändert, der war wenig vertraut mit der Branche und der Situation. Oder führte er etwas ganz anderes im Schilde? Die Kollateralschäden sind groß. Verbrannte Erde ist das für die, die sich bemühen, sowohl sozial als auch wirtschaftlich solide und ehrenwert zu wirtschaften.

„Einigermaßen gute Preise bei schlechter Auslastung sind leider ebenso fatal.

Noch vor nicht allzu langer Zeit gingen Prognosen unwidersprochen durchs Land, dass die kleineren mittelständischen Unternehmen alle zum Tode verurteilt seien, weil die großen Player und High-Volume-Drucker die bessere Performance hätten. Weit gefehlt. Leider sind auch einige der lange Zeit stabilen „Traditions“-Unternehmen im Krisenmanagement-Modus. Bei einigen reicht zwar das Eigenkapital noch eine ganze Weile, doch der unternehmerische Spaß an der Freude ist längst vorbei. Standortschließungen, der komplette Austausch von Management, Troubleshooting – das alles ist wahrscheinlich jetzt dringend geboten, doch es ist letztendlich keine unternehmerische Vorwärtsstrategie. Über Innovationen hört man wenig. Es gibt sogar Einzelfälle, die ihre innovativen Konzepte über Bord werfen, um genügend Geld fürs Troubleshooting der Old Economy zu haben.

Technische Innovation kamen in der Vergangenheit meist von Maschinenbauern. Deren Zustand sollte den Kunden der Drucker als Warnung dienen: Die Servicebereitschaft, Innovationsfähigkeit und Kundenorientierung in Firmen, die zu sehr unter Druck stehen, schmilzt irgendwann dahin.

→ Ihre Meinung? insider@print.de

Michael Dömer ist seit 30 Jahren als Unternehmens- und Personalberater für die Druckbranche tätig; 20 Jahre war er Vorsitzender der EWA – Interessenorganisation Rotationsdruck. Er entwickelt Strategien und Konzepte zur erfolgreichen Positionierung und begleitet die Umsetzung als Interim-Manager. Aktuell ist er seit zwei Jahren Interimchef eines Rollenoffsetunternehmens.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Lesenswerter Artikel! Schade das es nicht auf der print.de Seite auf Facebook war.

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    1. Sehr geehrte Frau Paap,

      es freut uns, dass der Artikel Ihr Interesse gefunden hat und vielen Dank für Ihren Hinweis. Ende der vergangenen Woche wurde der Beitrag bereits an mehr als 10.000 print.de-Newsletter-Abonennten versandt. Und ab sofort steht er auch auf der Facebook-Seite von print.de. https://www.facebook.com/print.de

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