Insider-Kolumne von Dr. Anne König aus DD13/2018

Wo könnte die Druckindustrie von selbstlernender Software profitieren?

(Bild: Moritz Rennecke)

Als ich letztes Jahr in dieser Kolumne über künstliche Intelligenz räsonierte, wurde ich zurecht darauf angesprochen, dass das, was ich beschrieben habe, ja nun gerade keine künstliche Intelligenz sei. Richtig. In der Druckindustrie gibt es nämlich kaum Beispiele. Aber es lohnt sich, einen Blick in mögliche Zukünfte zu werfen.

Zunächst, was ich unter künstlicher Intelligenz verstehe: Es ist ein weiterer Schritt der Automatisierung. Der erste Schritt war die Automatisierung mechanischer Prozesse, wie wir sie im Druck- und Weiterverarbeitungsmaschinenbau seit Jahrhunderten erleben. Es folgte die Automatisierung handwerklicher (Fach)arbeitertätigkeiten durch Software wie zum Beispiel Photoshop. Künstliche Intelligenz meint die Automatisierung intelligenten Verhaltens.

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Doch was ist intelligentes Verhalten? Die Forschergemeinde zur künstlichen Intelligenz ist sich einig, dass Softwareelemente, die „künstliche Intelligenz“ genannt werden dürfen, von Beginn an bereits auf „Lernen“ programmiert sein müssen. Darum auch der Begriff „Deep Learning“, der eng mit künstlicher Intelligenz verwandt ist. Intelligenz ist demnach Lernfähigkeit – kontinuierlich und am vorgegebenen Ziel orientiert. Und künstlich meint, dass es letztlich ja nur Software ist.

Ein illustratives Beispiel ist Alpha Go, ein vom Google-Mutterkonzern Alphabet entwickeltes Computerspiel für das Go-Spiel, das kürzlich gegen die weltbesten Go-Spieler gewann. Im ersten Schritt lernte Alpha Go mit Hilfe einer Datenbank von Millionen von Zügen, menschliches Verhalten vorherzusagen – die Software ging sozusagen zur Schule. Danach wurden zufällige Spielzüge von der Software sich selbst vorgeschlagen, durchgespielt und der Ausgang des Spieles bewertet. Die Software übte also ständig pubertäres Verhalten. Dadurch wurde Alpha Go immer besser, ohne durch Menschen programmierte Updates.

“Künstliche Intelligenz meint die Automatisierung intelligenten Verhaltens.”

Microsoft berichtet über KI-Software die gelernt hat, das Zittern der Hand von an Parkinson erkrankten Menschen so vorauszusagen, dass ein Stift die Bewegungen ausgleichen kann – und immer weiter lernt anhand des Abgleichs mit der Lesbarkeit der Handschrift.

Welche Aufgabenstellungen haben wir in der Druckindustrie, die durch lernende Software gelöst werden könnten? Ein großes Potential sehe ich in der Kapazitätsauslastung von Druckmaschinennetzwerken: Software, die voraussagen kann, wo Kapazitäten demnächst frei werden, daraus lernt, wer sie womit füllt, und anhand des Ergebnisses (z. B. Nutzungsgrad, Ausstattungsmerkmale, Maschinentyp, Qualität, Termin, Produktionskosten, Versandlogistik) optimierte Auslastungsszenarien vorschlägt. So etwas könnte interessant sein. In Online-Druckereien kann ich mir Deep-Learning-Elemente in der Ausschieß- und Druckreihenfolgensoftware vorstellen: Anhand des Bestellverhaltens und der betrieblichen Workflowvarianten lernt die Software, wann es sich lohnt, noch auf die weitere Optimierung der Füllung eines Bogen zu warten – und wann nicht.

→ Ihre Meinung? insider@print.de

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