Druckindustrie 4.0

Alternativlos

Druckindustrie 4.0: Die digitale Transformation fordert die Betriebe der Druck- und Medienwirtschaft mehr heraus als alle anderen Branchenentwicklungen zuvor. Vor allem individuell-strategisch. Nahezu alle Unternehmensbereiche gilt es für eine Neuorientierung zu hinterfragen. Folgt man dabei sieben zentralen Thesen, so ist man auf dem richtigen Weg.
Die digitale Transformation fordert die Betriebe der Druck- und Medienwirtschaft mehr heraus als alle anderen Branchenentwicklungen zuvor. Vor allem individuell-strategisch. Nahezu alle Unternehmensbereiche gilt es für eine Neuorientierung zu hinterfragen. Folgt man dabei sieben zentralen Thesen, so ist man auf dem richtigen Weg. (Bild: Pixabay)


Vier Jahre nachdem der Begriff »Industrie 4.0« in der Branche erstmals auf größere Resonanz stieß, scheint es, als habe sich die Debatte abgenutzt. Ähnlich wie »JDF« Jahre zuvor ist »
Druckindustrie 4.0« inzwischen zum Buzzword verkommen, rauscht auf der Hype-Cycle-Kurve nach unten. Doch jeder weiß, wohin sich die Kurve weiterentwickeln wird, denn die digitale Transformation der Druckindustrie ist alternativlos …

 

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Betriebe der Druckindustrie: Mentalität gefragt!

Die Diskussion um »Druckindustrie 4.0« bildet insofern lediglich den Auftakt für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des digitalen Wandels für die Branche insgesamt und für jedes einzelne ihrer Unternehmen. Allgemeine Betrachtungen zu »Druckindustrie 4.0« können dabei durchaus inspirierend sein, bleiben aber angesichts der Vielschichtigkeit der Thematik zwangsläufig an der Oberfläche.

Konkreter wird es erst, wenn man einzelne Aspekte von »Druckindustrie 4.0« herausgreift, auf Branchenebene beispielsweise die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation per XJDF. Druckereien sehen sich allerdings meist eher in der Rolle des Nutzers denn in der des Gestalters solcher Branchenstandards. Abseits solcher Rahmenbedingungen, zu denen etwa auch die Datenschutzbestimmungen zählen, lässt sich die Frage nach den Konsequenzen von »Industrie 4.0« für Druck- und Mediendienstleister letztlich nur unternehmensindividuell beantworten: Dafür gilt es, die Chancen und Risiken der digitalen Transformationen für das eigene Unternehmen zu analysieren, Handlungsfelder zu identifizieren, Strategien zu erarbeiten, zu bewerten und gegebenenfalls umzusetzen. Schon der erste Schritt bringt einen weit weg vom Schlagwort und tief in die Materie – an dieser Stelle ist der Hype vorüber, und die Arbeit beginnt.

Sieben Thesen liefern hierfür wichtige Denkanstöße – für Unternehmen mit der richtigen Mentalität und Aufgeschlossenheit gegenüber den notwendigen Veränderungsprozessen in der Geschäftsausrichtung:

 

  • Kein Geschäftsmodell ohne Digitalisierung – keine Digitalisierung ohne Geschäftsmodell
    Somit muss jedes bestehende bzw. geplante Geschäftsmodell daraufhin überprüft werden, ob es unter den Bedingungen der (fortschreitenden) Digitalisierung bestehen kann. Umgekehrt schaffen alle Investitionen in die Digitalisierung von Produktions- und Ge­schäftsprozessen Chancen und Herausforderungen für das Produkt- und Dienstleistungsportfolio des Druck- und Mediendienstleisters. Geschäftsmodell und Digitalisierung müssen deshalb im Zusammenhang gedacht werden.

 

  • Rolle und Selbstverständnis der Druckereien ändern sich
    Der Produktionsprozess an sich wird für immer weniger Druckereien Dreh- und Angelpunkt ihrer Tätigkeit bleiben, sieht man einmal von den reinen Druckfabriken ab. Nirgendwo lässt sich das so deutlich ablesen wie an den aktuellen Geschäftsmodellen der Druckmaschinenhersteller: Hochautomatisierte und vernetzte Systeme produzieren weitgehend autonom, ordern das zum Druck benötigte Material selbst, regeln ihre eigene Ersatzteilversorgung und helfen beim Beseitigen von Schwachstellen im Druckprozess. Die Digitalisierung macht es möglich. Mehr noch: Mit dem Übergang von Kauf- zu Mietmodellen bei Bogenoffsetdruckmaschinen, der sich in Ansätzen schon abzeichnet, verlagert sich die Verantwortung für den Druckprozess zunehmend von der Druckerei auf den Druckmaschinenanbieter.
    Diese Entwicklung mag gefährlich erscheinen, wenn man spekuliert, dass eine vollautomatisierte Druckproduktion in letzter Konsequenz genauso gut vom Druckmaschinenanbieter oder vom bisherigen Druckereikunden übernommen werden könnte. Denn auch auf der Vertriebsseite droht Gefahr: Die Prozesse an der Kundenschnittstelle werden ebenfalls immer weiter automatisiert, bis hin zur Verlagerung der Vertriebsaktivitäten auf Online-Marktplätze. In diesem Spannungsfeld sind Druckereien gezwungen, ihr Selbstverständnis in Frage zu stellen und ihren Fokus neu zu justieren. Mit Produkt- und Dienstleistungsinnovationen und durch intelligente Verknüpfung von Prozessen müssen sie zu Problemlösern ihrer Kunden werden – und zwar am besten, bevor der Kunde selbst sein Problem erkannt hat.

 

  • Unternehmens- und Branchengrenzen werden durchlässig
    Wer als Problemlöser auftritt, muss bereit sein, neues Terrain zu betreten. Das beginnt beim Denken aus der Kundenperspektive (bzw. der Kunde-des-Kunden-Perspektive), die sich in der Regel im Hinblick auf Geschäftsmodell, Technologie-, Branchen- und Erfahrungshintergrund fundamental von derjenigen des Druck- und Mediendienstleisters unterscheidet. Obendrein ändern sich mit der digitalen Transformation auch hier die Anforderungen an Kommunikationslösungen. Es genügt nicht mehr, lediglich ein Druckprodukt abzuliefern. Oft wird zwar ein Druckprodukt Bestandteil der Lösung sein, nicht in jedem Fall aber der wichtigste. Sie wird in vielen Fällen weitere Produkte und Dienstleistungen umfassen müssen, die zum Teil bislang noch als »branchenfremd« galten.
    Da solche Leistungen in den seltensten Fällen alle selbst erbracht werden können, müssen Partner gewonnen werden, die über die benötigte Expertise verfügen. Solche Partnerschaften bieten wiederum Potenziale, um neue Absatzkanäle zu erschließen oder gar neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Die Wertschöpfung beginnt somit nicht in der Medienvorstufe und endet nicht in der Druckweiterverarbeitung oder beim Lettershop. Tradierte Wertschöpfungsketten wandeln sich zu unternehmens- und branchenübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken, in die nicht selten auch der Kunde als Projektpartner unmittelbar involviert ist.

 

  • Die Logistik wird zum Flaschenhals, smarte Logistiklösungen schaffen Wettbewerbsvorteile
    Denn Zeit ist Geld. Die Digitalisierung schafft die Voraussetzungen dafür, dass wesentliche Teile der Dienstleistung ohne Zeitverzug an anderen Orten entstehen können als dort, wo sie letztlich genutzt werden. Dazu gehört das automatisierte Abholen von Aufträgen vom ERP-System des Kunden genauso wie der Remote-Softproof. Problematisch bleibt die Situation dort, wo Materialien und Produkte physisch zugestellt werden müssen. Die Beschleunigung von Geschäftsvorgängen durch digitale Prozesse hat dazu beigetragen, dass bereits heute jeder durch Transportvorgänge verursachte Zeitverzug wie ein Anachronismus erscheint. Die Zeitplanung für die Produktionsprozesse der Druckereien richtet sich somit mehr denn je nach der Taktung der Versandlogistik.
    Gefragt sind aber auch moderne Logistikkonzepte bis hin zum ortsverteilten Drucken im Printshop der örtlichen Shopping Mall. Druckereien tun gut daran, sich über innovative Logistikkonzepte auf dem Laufenden zu halten. Von der orts- und zeitvariablen Auslieferung mithilfe des Internets der Dinge bis hin zur Drohnen-Zustellung wird derzeit vieles ausprobiert, um die Versandlogistik zu flexibilisieren und zu beschleunigen. Eine fortschrittliche Logistik auf der »letzten Meile« des Versandwegs lässt den Wettbewerbsnachteil »Geschwindigkeit« gegenüber den Online-Medien schrumpfen und begünstigt regionale Druckereien gegenüber weit entfernten Konkurrenten. [10814]

 

Druckindustrie 4.0: Druckereien tun gut daran, sich ständig über innovative Logistikkonzepte auf dem Laufenden zu halten. Denn Zeitverzug durch einen Flaschenhals »Transportvorgänge« wirkt in Zeiten hochbeschleunigter Geschäftsabläufe (dank digitaler Prozesse) wie ein Anachronismus.
Druckereien tun gut daran, sich ständig über innovative Logistikkonzepte auf dem Laufenden zu halten. Denn Zeitverzug durch einen Flaschenhals »Transportvorgänge« wirkt in Zeiten hochbeschleunigter Geschäftsabläufe (dank digitaler Prozesse) wie ein Anachronismus. (Bild: Pixabay)

 

Sind Sie gerade dabei, Ihre eigene individuelle Print-4.0-Strategie zu erarbeiten? Dann hilft Ihnen mit Sicherheit unser Artikel-Sechsteiler im Deutschen Drucker weiter. Die Inhalte der Serie basieren komplett auf der Publikation »Druckindustrie 4.0« von Harry Belz (BVDM) und Wilhelm Zacharias (BVDM) sowie Wolfgang Beinhauer vom Fraunhofer IAO.

Lesen Sie die restlichen drei Thesen in Teil 6 der Serie im aktuell erschienenen Heft DD22/2019.

Die Gesamtpublikation des BVDM finden Sie HIER (nur für Verbandsmitglieder verfügbar).

 

PDF-Download: Deutscher Drucker 22/2019

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