Müller-Martini-CEO Bruno Müller über die Hunkeler-Übernahme, die Drupa und die Digitalisierung

„Der richtige Zeitpunkt, um Synergien optimal zu nutzen“

Bruno Müller, CEO der Müller Martini AG.
Bruno Müller, CEO der Müller Martini AG.(Bild: Müller Martini)

Mit der Übernahme von Hunkler Ende letzten Jahres hat der Schweizer Hersteller Müller Martini für großes Aufsehen in der Branche gesorgt. Im DD-Gespräch erklärt Müller Martini-CEO Bruno Müller die Synergien, die sich daraus ergeben und weshalb die Transaktion für die Kunden beider Unternehmen nur von Vorteil sein kann.

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print.de: Herr Müller, die Übernahme von Hunkeler durch Müller Martini hat in der Branche viel Aufmerksamkeit erregt. Können Sie uns durch die Gedankengänge führen, die zu dieser Entscheidung geführt haben?

Bruno Müller: Absolut. Diese Übernahme war in der Tat ein „Big Bang“ für uns und die gesamte Branche. Es ist ein Schritt, den im Markt kaum jemand vorhergesehen hat, der jedoch durchwegs positives Echo gefunden hat. Das hat sicherlich damit zu tun, dass die Fusion nachvollziehbar ist und als richtiger Schritt für die Zukunft angesehen wird. Die beiden Unternehmen sind sich nicht nur geografisch nahe – wir liegen gerade einmal viereinhalb Kilometer voneinander entfernt –, sondern auch durch eine lange gemeinsame Geschichte und gegenseitige Unterstützung miteinander verbunden. Selbst unser Firmengründer Hans Müller hat in seinen jungen Jahren einmal bei Hunkeler gearbeitet.
Hinzu kommt, dass wir aufgrund der zunehmenden Überlappung von Digital- und Offsetdruck ähnliche Entwicklungsprojekte lanciert haben. Vor diesem Hintergrund war klar, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um die Synergien optimal zu nutzen.

print.de: Welche Konsequenzen werden sich aus der Übernahme für die Produktpalette der beiden ­Unternehmen ergeben?

Müller: Unsere Produktportfolios ergänzen sich ausgezeichnet. Es gibt kleinere Überlappungen im Bereich der Buchblockherstellung, aber wir werden unser Angebot koordiniert zu einem noch innovativeren System wachsen lassen. Im Moment bleibt alles, wie es ist, da sämtliche Produkte so positioniert sind, dass sie ihre Daseinsberechtigung haben.
Allerdings werden wir unsere beiden Workflowsysteme Connex und den Hunkeler Control- und Workflow-Manager zusammenführen und das gesamte Portfolio mit Connex abdecken. Bis zur Drupa werden wir diese Integration vollzogen haben.

print.de: Weshalb fiel die Wahl dabei auf Connex?

Müller: Die Funktionalität von Connex ist deutlich umfangreicher als die des Hunkeler Control- und Workflow-Managers. Wir werden allerdings daraus Funktionen übernehmen, die wir bis jetzt noch nicht abdecken. Dazu gehört beispielsweise die Hunkeler Web Inspection. Denn die Überwachung der Produktqualität in Echtzeit wird immer wichtiger.

print.de: Mit der Übernahme könnte der Eindruck entstehen, Müller Martini würde zu mächtig. Wie nehmen Sie solche Bedenken wahr?

Müller: Diese Bedenken sind uns natürlich bewusst. ­Jedoch ist es unseren Kunden wichtig, einen starken und zuverlässigen Partner an ihrer Seite zu haben. Ein Partner, der in der Lage ist, in Innovationen zu investieren und hervorragende Serviceleistungen zu erbringen. Ja, es stimmt, dass unsere Kunden vielleicht etwas an Verhandlungsspielraum verlieren könnten, auf der anderen Seite bieten wir ihnen eine vielversprechende Zukunft in Bezug auf Produktinnovation und Portfolioentwicklung. Diese Vorteile überwiegen die potenziellen Bedenken.

print.de: Wie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Nachricht der Übernahme reagiert?

Müller: Wie bei jeder großen Veränderung gab es eine gewisse Sorge, aber auch ein starkes Gefühl der Zuversicht. Unsere Teams verstehen, dass wir gemeinsam stärker sind. Diese Übernahme ist nicht nur eine Fusion zweier Unternehmen, sondern auch eine Gelegenheit, gemeinsam zu wachsen und als Einheit stärker zu werden. Wir sind jetzt in der Anfangsphase der Integration, und die positive Energie und das Engagement unserer Mitarbeiter sind deutlich spürbar.

print.de: Ein fester Termin im Kalender sind immer die Hunkeler Innovationdays in Luzern. Können wir diese weiter fest einplanen?

Müller: Auf die Hunkeler Innovationdays möchten wir möglichst keinen Einfluss nehmen. Die laserblaue Farbe wird sich auf dieser Veranstaltung im Hintergrund halten. Hunkeler hat hier über die Jahre wertvolle Erfahrung aufgebaut – wir unterstützen so gut wir können, aber wir möchten nicht eingreifen. Das heißt, die Messe wird genau so vorbereitet und ablaufen wie in den Jahren zuvor – mit demselben Team und demselben Set-up. Alle Partner aus Druck und Weiterverarbeitung sind eingeladen, da wir überzeugt sind, dass die Vielfalt der Lösungen und Produkte sowie der familiäre Charakter das Wesen dieser Messe ausmachen.

print.de: Stichwort Messe: Dieses Jahr findet auch wieder die Drupa statt und Müller Martini ist mit einem 1.400 qm großen Stand vertreten: was braucht es, damit die Drupa für Sie ein Erfolg wird?

Müller: Wichtig wird sein, dass die Drupa über die gesamte Messedauer gut besucht ist und dass Bewegung auf den Ständen ist. Die Besucher müssen einen guten Eindruck mitnehmen. Die Branche muss sich positiv präsentieren. Denn wenn nur die Entscheider kommen, die am Ende die Aufträge abschließen, dann ist das – auch psychologisch – zu wenig.
Seitens Müller Martini werden sicherlich ­allein 250 bis 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Drupa fahren, die sich vor Ort ­informieren wollen und sich auf unseren eigenen Auftritt freuen. Wir werden als Müller Martini in Halle 1 und als Hunkeler in Halle 8a sowie auf diversen Partnerständen innovative Lösungen unter anderem für die Segmente Digital Commercial Print und Direct Mail zeigen.

Auf der Drupa wird Müller Martini in Live-Demonstrationen seine hochautomatisierten Systeme vorführen, die alle in den Connex-Workflow eingebunden sind.
Auf der Drupa wird Müller Martini in Live-Demonstrationen seine hochautomatisierten Systeme vorführen, die alle in den Connex-Workflow eingebunden sind. (Bild: Müller Martini)

print.de: Ihr Drupa-Auftritt steht unter dem Motto ­„Driving the Digital Transformation“. Was ­verstehen Sie darunter?

Müller: Die digitale Transformation steht im Mittelpunkt unserer Strategie. Die zunehmende Kleinteiligkeit in der Produktion ist ein Treiber für den Digitaldruck, und die Möglichkeit, das Druckbild von Seite zu Seite voll dynamisch zu verändern, hat bedeutenden Einfluss auf die Logistik in der Weiterverarbeitung. Es geht daher darum, ein integriertes System zu schaffen, das diesen Anforderungen gerecht wird und unter allen Bedingungen zuverlässig funktioniert. Das ist höchst anspruchsvoll. Wir haben in den letzten Jahren hier bedeutende Fortschritte erzielt und werden diesen Weg weiterverfolgen, um unseren Kunden die bestmöglichen Lösungen anzubieten.

print.de: Wie weit sind die Kunden denn auf dem Gebiet Digitalisierung?
Müller: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt Kunden, die sind so weit, wie wir es sind, weil sie sehr früh in den Prozess eingestiegen sind. Aber es gibt auch diejenigen, die noch ganz am Anfang stehen und sich erst allmählich an das Thema herantasten. Generell lässt sich aber sagen, dass die Anzahl der Kunden, die sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen, deutlich gestiegen ist und weiter zunimmt.
Aber es ist durchaus eine Herausforderung, sich umzustellen von einem Offsetbetrieb, der vom Volumen lebt, auf einen Betrieb, der mit kleinen Mengen Geld verdienen kann. Dabei beobachten wir, dass Europa der Entwicklung in den USA einige Jahre hinterher hinkt. Die Druckereien in den USA haben einfach früher begonnen. Auch der Digitaldruck spielt dort eine viel größere Rolle als in Europa. Dennoch sind wir sehr positiv überrascht von der Entwicklung in Europa im letzten Jahr.

print.de: Welche Produktsegmente entwickeln sich aktuell besonders dynamisch?

Müller: Die größte Dynamik sehen wir in der Buchproduktion, speziell bei Book on Demand oder bei Kleinauflagen. Unternehmen produzieren heutzutage oft nur hundert oder zweihundert Exemplare, genau nach Bedarf. Dabei ist es irrelevant, ob 100 Exemplare oder nur ein einzelnes produziert werden – unsere Anlagen, die wir auf der Drupa vorstellen, sind genau für diese Flexibilität entworfen. Das ist der Kern unseres Ansatzes.

print.de: Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung des Buchmarktes in Europa ein?
Müller: Wir erwarten eine positive Entwicklung. Die letzten zwei Jahre waren allerdings von einem ziemlichen Auf und Ab gekennzeichnet. Während der Pandemie haben viele Menschen das Lesen neu für sich entdeckt, und die Verlage suchten nach Produktionskapazitäten. Infolgedessen wurden viele Buchlinien bestellt, besonders in den Jahren 2021 und 2022, was zu guten Verkaufszahlen führte. Dann füllten die Verlage ihre Lager auf. Entsprechend geringer war die Nachfrage im letzten Jahr, was wir auch im Ersatzteilgeschäft bemerkten. Jetzt scheint sich der Markt wieder zu stabiliseren.

print.de: Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit bei Müller Martini?

Müller: Nachhaltigkeit ist ein sehr wichtiges Thema für uns und für unsere Branche. An der Drupa werden wir im Touchpoint Sustainabi­lity des VDMA in Halle 14 gemeinsam mit anderen Austellern Beispiele aus der Praxis vorstellen. Unser Fokus liegt auf einer kompakten, energieeffizienten Anlage, die idealerweise exakt das produziert, was gebraucht wird.
Vor einigen Jahren habe ich die jährliche Papiermenge für Bücher ausgerechnet: eine ein Meter breite Papierbahn, die 1.500 Mal um die Erde gewickelt war. Einen wesentlichen Teil davon machten die Bücher aus, die nie verkauft wurden – die Überproduktion und Remittenden. Das hat sich mittlerweile deutlich verändert. Produziert wird im Idealfall bedarfsgerecht genau das, was auch benötigt wird – auch dank unserer Systeme.

print.de: Wie sehen Sie die Entwicklungen in den verschiedenen Produktsegmenten, wie Katalogen, Magazinen und Büchern?

Müller: Es geht immer um die Qualität und um eine möglichst ‚treffsichere‘ Zielgruppenansprache. Entscheidend wird sein, Produkte zu erstellen, die einen Abnehmer finden, in einer attraktiven Form, welche die Vorteile des gedruckten Produkts hervorhebt. Gedruckte Produkte haben eine Zukunft, sofern sie attraktiv gestaltet sind und profitabel bleiben. Das gilt sowohl für Bücher als auch für Magazine und andere Druckerzeugnisse. Es geht weniger um Masse, als um eine gezieltere Produktion.

print.de: Mit welchen Herausforderungen sieht sich Müller Martini aktuell konfrontiert?

Müller: Eine große Herausforderung ist die Vielzahl an Maschinen aus unserem Haus, die schon lange im Markt sind und noch lange im Markt bleiben und Service erwarten. Wir sind ein relativ kleines Unternehmen, das für seine Systeme gerade stehen möchte, aber auch in die Zukunft blicken muss. Wir gewinnen regelmäßig neue Mitarbeitende, denen wir aber nicht zumuten können, eine 30 Jahre alte Klebebindelinie am Laufen zu halten. Gleichzeitig gehen erfahrene Mitarbeiter, die mit diesen Maschinen groß geworden sind, allmählich in Pension. Hier müssen wir über kurz oder lang Lösungen finden.

print.de: Herr Müller, wir danken Ihnen für das Gespräch.