Menschen in der Druckindustrie (2): Peter Benz

Mister Cortina sagt „Adieu“

Peter Benz beim Cortina User Workshop 2019 im belgischen Hasselt(Bild: Koenig & Bauer AG)

21 Jahre lang war Peter Benz Projektmanager bei Koenig & Bauer. Er hat nicht nur der „Cortina“ Starthilfe im Markt gegeben. Benz war der wohl am stärksten in der Branche wahrgenommene Lobbyist für den wasserlosen Offsetdruck. 


Offsetdruck basiert schon immer auf einem empfindlichen Gleichgewicht, bei dem der richtige Umgang mit der Wassermenge die guten von den weniger fähigen Druckern unterscheidet. Wasser hat aber auch ein paar grundlegende Nachteile. Für die konstante Druckqualität etwa und auch für die Lebensdauer der Maschine. Stichwort Rost.

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Wie empfindlich der Offsetdruck im Blick auf die Wasserqualität ist, erlebte Peter Benz Mitte der 1990er Jahre im täglichen Produktionsalltag. Benz hatte schon 20 Jahre Offsetpraxis und war bis in die Position des Produktionsleiters der Rollenoffsetdruckerei AVD in Goldach im Schweizer Kanton St. Gallen aufgestiegen. Einem Betrieb, der mal mit Wasser aus dem nahen Bodensee, mal mit Wasser aus den Bergen versorgt wurde. Ohne freilich zu wissen, wann die Stadtwerke wieder einmal den Hebel umlegen.

Den Faktor Wasser ausschalten

Keine Chance also, diesem Wechselspiel des pH-Wertes und seinen fatalen Folgen für den Druckprozess zu entgehen. Und so nimmt es nicht Wunder, dass bei der nächsten Investition in eine Akzidenz-Rolle, der Wunsch, diese wasserlos zu betreiben, klein aber unübersehbar im Pflichtenheft stand. Die Maschine kam, es wurde wieder eine Rotoman aus Augsburg (bei AVD „Goldiman“ getauft) und sie wurde tatsächlich wasserlos betrieben.

Er sei damals „mausseelenallein gewesen“ mit seinem Team der AVD, erinnert sich Benz im Gespräch mit Deutscher Drucker. Aber – typisch Benz – er hat sich durchgebissen. „Wir hatten Freude daran, gut zu drucken“, sagt Benz rückblickend. Man konnte außerdem das Thema „Alkohol im Feuchtwasser“ ganz umgehen und zudem Makulatur einsparen: „Auch die Wirtschaftlichkeit musste immer stimmen.“

“Ich glaubte an ,Wasserlos‘ und
habe deshalb die Herausforderung
angenommen.“

Peter Benz

 

Sein Ruf als kenntnisreicher Techniker und herausragender Motivator reichte bis nach Würzburg, wo Georg Schneider damals an der Wasserlos-Zeitungsrotation Cortina arbeitete. Viele Gespräche, Besuche und Fachsimpeleien folgten. Dann kam die Drupa des Jahres 2000, als Koenig & Bauer den verblüfften Publikum eine voll produzierende Ein-Turm-Cortina präsentierte. Eine Maschine, bei der „wasserlos“ zwar ein wichtiges Feature war, aber keineswegs das einzige aufsehenerregende. Auch die kompakten Druckeinheiten und der vollautomatische Plattenwechsel stießen auf großes Interesse. Als dann noch Peter Benz angeheuert wurde, um die Cortina „in den Markt zu bringen“, war das Dream-Team perfekt: Der Praktiker aus der Schweiz, der anspruchsvolle Zeitschriften wasserlos gedruckt hat, traf auf die neue Coldset-Philosophie vom Main: „Ich glaubte an ,Wasserlos‘ und habe diese Herausforderung angenommen.“

Dieses „In den Markt bringen“ hat übrigens nichts mit Verkauf zu tun. Darauf legt Peter Benz großen Wert. Nein, er sei kein „guter Verkäufer“ gewesen, sondern einer, der im ganzen Prozess bis über die Inbetriebnahme hinaus immer dabei war und „mitgeholfen hat, auftretende Probleme zu lösen“. Und Benz betont immer wieder, dass dies alles nur im großen Team funktionierende konnte. Der engere Kreis war ein Vierer-Team: Entwickler Georg Schneider, Marketingchef Klaus Schmidt, Karl Zorn im Verkauf – und eben Peter Benz.

F&E für den ganzen Prozess

Anfangs beschränkte sich die Forschung und Entwicklung nicht nur auf den Druck. Benz war klar, dass Zeitungsdrucker nur überzeugt werden können, wenn eine stabile Plattenproduktion verfügbar ist. Also wurde eine komplette Kodak-Trendsetter-Linie in Würzburg installiert. Enge Zusammenarbeit gab es auch mit den Postpress-Lieferanten. Konnte man die Resistenz der Farbe gegen Ablegen doch erst beurteilen, wenn die Exemplare aus der Transportklammer raus waren.

Nachdem Koenig & Bauer die Maschine zwei Jahre weiterentwickelt und zur Marktreife gebracht hatte, wurde auf der Ifra-Expo 2003 der erste Kunde, die holländische Rodi Rotatiedruk, präsentiert. Peter Benz, der all die Jahre in der Schweiz wohnen blieb, pendelte daraufhin fast ein Jahr zwischen Bodensee und Nordsee, in der Nacht zum Montag 1.000 Kilometer hin, freitags 1.000 Kilometer zurück. Die harte Anfangszeit, in der man sich an die industrielle Produktion herantastete.

Der Durchbruch kam 2006, als mit Freiburger Druck der erste größere Regionalzeitungsdrucker aus Deutschland „Ja“ zum wasserlosen Offset sagte. Für den Verleger Wolfgang Poppen war es auch ein Schritt zu noch umweltfreundlicheren Zeitungsdruck – eben ohne Wasserverbrauch. Poppen und der damalige Technische Leiter Patrick Zürcher machten anderen deutschen Druckereien Mut, diesen Schritt zu gehen – unter anderem in Bremerhaven, Köln, Düsseldorf und Konstanz. International investierten große Zeitungsdruckereien aus Frankreich, Belgien, Skandinavien und der Schweiz in die Cortina.

Wurde Peter Benz in den Anfangsjahren noch bei jedem kleinen Hindernis um Hilfe gebeten, etwa wenn irgendwo der Farbnachschub ausblieb, so bildete sich bald eine besondere Gemeinschaft der Cortina-Anwender heraus, die sich auch zu jährlichen „Cortina User Workshops“ versammelte. Zuletzt hatten daran rund 150 Fachleute aus 15 Nationen teilgenommen. Für die Zulieferer wurden die Cortina-Nutzer zu einer zunehmend attraktiven Zielgruppe. In den späteren Jahren durfte Benz seine Motivationsfähigkeit vor allem dafür einsetzen, weitere Farb- und Plattenlieferanten für den wasserlosen Druck zu begeistern. Oder die Weiterentwicklung der Verbrauchsmaterialien voranzutreiben helfen. Toray zum Beispiel investierte in eine Plattenproduktion in Tschechien, um die Nachschubwege zuverlässiger zu machen.

20 Kunden, 86 Drucktürme

Zwischen 2006 und 2019 wurden jedes Jahr weitere Cortina-Linien installiert, die größten Anlagen in Roissy bei Paris („Le Figaro“) und im Wüsten-Emirat Dubai („Gulf News“). Nachdem 2018 und 2019 bei Printing Partners im belgischen Paal-Beringen vier Cortina-Drucktürme den Betrieb aufnahmen, sind nun weltweit 86 Drucktürme bei 20 Kunden in Betrieb.

In den vergangenen Monaten war Peter Benz noch mit seinem Nachfolger im Produktmanagement, Georg Zitterbart, auf Besuchstour bei Kunden und Partnern aus der Zulieferindustrie. Bis vor einigen Wochen konnten sie feststellen, dass alle Cortina-Anlagen, die über zwei Jahrzehnte in Betrieb gegangen waren, immer noch drucken. Inzwischen hat das Schrumpfen des Coldsetmarktes allerdings auch die Wasserlos-Standorte mit ihrem meist deutlichen breiteren Produktportfolio getroffen. So schließt die „Volksfreund“-Druckerei in Trier und im November 2021 wurde bekannt, dass auch einer der ganz großen Cortina-Standorte, das Eco Print Centre im belgischen Lokeren, stillgelegt werden soll.


Peter Benz, Jahrgang 1958, gelernter Buch- und Offsetdrucker, war 20 Jahre für die Rollenoffsetdruckerei AVD Goldach tätig, zuletzt als Produktionsleiter. Im Herbst 2000 ging er zur Koenig & Bauer AG nach Würzburg, wo er die Wasserlos-Rotation Cortina über zwei Jahrzehnte lang als „verfahrenstechnischer Projektmanager“ betreute. Corona-bedingt konnte er in den vergangenen Monaten schon testen, wie es ist, künftig wieder dauerhaft zu Hause bei seiner Frau unweit des Schweizer Bodenseeufers zu sein.

 

Das Porträt von Peter Benz gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über “Menschen in der Druckindustrie”. Unter diesem Titel erzählen zehn Menschen aus der Branche über das, was sie an der Druckbranche fasziniert und was sie bewegt. Das Porträt von Peter Benz sowie neun weitere Menschen, deren Herz für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2021 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.

 

PDF-Download: Deutscher Drucker 16/2021

Schwerpunkt: Menschen in der Druckindustrie +++ Offsetdruck+++ Digitaldruck +++ Großformatdruck +++ Druckweiterverarbeitung +++ Druckvorstufe +++ Print Innovation Week

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Alles Gute Peter! Es war immer eine Freude sich mit dir zu treffen und auszutauschen!

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