Insider-Kolumne von Dr. Jürgen Calmbach aus DD17/2018

Insolvenz in Eigenverwaltung – ein süßes Gift für die Druckindustrie

(Bild: KLAUS LORENZ FOTODESIGN)

Eigentlich hat es der Gesetzgeber mit dem neuen Insolvenzrecht vor mehr als fünf Jahren gut gemeint. Mit der Eigenverwaltung sollten Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsführung über das eigene Unternehmen besser genutzt und ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der in Schwierigkeiten befindliche Betrieb rechtzeitig den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt; denn die bisherige Geschäftsführung wird nicht aus ihrer Funktion verdrängt, sondern bleibt weiter Herr im eigenen Haus.

Impliziert wird mit diesem Regelwerk, dass die Ursachen für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens vor allem externer Natur sind und mit dem Management nicht zwingend etwas zu tun haben. Letzteres trifft natürlich zu, wenn – wie es in vielen Pressemitteilungen lautet – kurzfristig und völlig unerwartet Umsatzrückgänge zu verzeichnen sind oder Preissteigerungen auf der Lieferantenseite nicht an die Kunden weitergegeben werden können.

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Ohne Frage hat der Gesetzgeber mit der damaligen Reform des Insolvenzrechts nicht an die Druckindustrie gedacht. Besonders der Akzidenzdruckmarkt ist von strukturellen Marktveränderungen betroffen. Harter Preisdruck, Überkapazitäten, Verdrängungswettbewerb und teilweise Nachfragerückgänge führen jedes Jahr zu 300 Unternehmensaufgaben.

So kann eine Insolvenz in Eigenverwaltung auch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Ganz besonders dann, wenn bereits Insolvenzen oder eine expansive Unternehmenspolitik mit diversen Unternehmenszukäufen vorausgingen: Wird hier etwa versucht, sich Schulden aus einer verfehlten Unternehmensstrategie vom Hals zu schaffen? Werden Lieferanten zielbewusst geschröpft, um anschließend entschuldet weiter machen zu können wie bisher? Hat dies Methode, um den unliebsamen Wettbewerb mit Tiefstpreisen noch stärker unter Druck setzen zu können?

Sicher, jeder Fall ist anders und ohne Kenntnis der individuellen Details kann man sich kein gesichertes Bild der Lage machen; und für die Belegschaft des insolventen Unternehmens und seine Eigentümer ist es ja auch schön, wenn es eine Zukunft gibt. Aber man muss eben auch die andere Seite sehen: Da gibt es immer noch tausende gesunde Druckunternehmen, die Monat für Monat ebenfalls unter harten Bedingungen ihre Löhne und Gehälter bezahlen und die über ihre eigentlich zu hohen Einkaufspreise ihrer Lieferanten quasi direkt die jetzt insolventen Wettbewerber quersubventionieren, um anschließend von diesen wieder Tiefstpreise um die Ohren gehauen zu bekommen – bis zur nächsten Insolvenz in Eigenverwaltung oder – man muss es leider so drastisch formulieren – bis zur eigenen Insolvenz.

Somit verhindert die gelebte Praxis des Insolvenzrechts die eigentlich notwendige Anpassung der Kapazitäten an die aktuelle Marktlage und trägt zu einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs in der Druckindustrie bei.

Ihre Meinung? insider@print.de

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Dem Artikel von Herrn Calmbach kann ich nur zustimmen. Ich finde es grundsätzlich richtig, dass ein Unternehmen eine zweite Chance bekommt, wenn es unverschuldet in Schwierigkeiten geraten ist. Wenn ein Unternehmen jedoch innerhalb weniger Jahre die zweite oder gar dritte Insolvenz in Eigenverwaltung “veranstaltet”, fragt man sich schon, ob das tatsächlich Sinn macht. So ist es sicher nicht im Sinn des Erfinders.

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  2. Eine Marktbereinigung findet nicht statt. Es ist für die Branche in vielen Fällen nicht zielführend. Inhaber verlagern die Problene auf das Personal, die Lieferanten und den Steuerzahler, ohne eigene, ggf. private Risiken einzugehen.

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  3. Den Punkt genau getroffen Herr Calmbach.
    Sehr guter Beitrag.

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  4. Sollten Lieferanten die Druckbranche in Zukunft besser nur noch per Vorkasse bliefern ?

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  5. Die Ritter der Insolvenz, sie reiten und reiten…
    Der Artikel trifft es leider genau, und die Druckbranche hat bei diesem Thema eine Führungsrolle. Es wäre sinnvoll, statt einer Restschuldbefreiung nur eine Restschuldstundung zu gewähren. Und wer mehr als eine Insolvenz hinlegt, sollte das Recht, ein Unternehmen zu führen, abgesprochen bekommen.

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  6. Herr Calmbach
    Den Punkt getroffen.
    Sehr guter Beitrag.

    Begrenzungen auf max. 1x pro Unternehmen wäre eine einfacher Lösung.

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