Interview mit Co-CEO Patrick Leibold über das Geschäftsmodell und die Pläne der Celebrate Company

Besser sein als erwartet

Patrick Leibold verantwortet als Co-CEO zusammen mit Steffen Behn die Geschäfte der Celebrate Company Unternehmensgruppe, zu der u.a. der Onlineshop Kartenmacherei, Celebrate Apps und Celebrate Digital Printing gehören. (Bild: Celebrate Company)

Zum Jahresanfang 2020 hatte die Celebrate Company, Dachgesellschaft des Onlineshops Kartenmacherei.de, den Digitaldruckbereich der damaligen Straub Druck+Medien AG übernommen. Mitte Februar 2021 gab nun die Unternehmensgruppe mit Sitz in Gilching bei München den Einstieg eines französischen Finanzinvestors bekannt. print.de sprach mit Celebrate-Co-CEO Patrick Leibold über das Geschäftsmodell und die Pläne der Company.

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Patrick Leibold steht zum Video-Interview mit Firmen-Basecap und sehr relaxed an einem Stehtisch im Home Office, ein Profi-Mikro am Mikrofongalgen vor sich.

 

Herr Leibold, wie schaffen es Celebrate, mit dem Schwerpunkt Grußkarte konstant zweistelligen Wachstumsraten zu generieren? Alle Universalshops bieten das ja auch an …

Wir unterscheiden uns an ganz vielen Stellen. Etwa schon darin, wie unser Produkt aussieht und wie es produziert ist. Wir machen einfach immer etwas mehr. Wir kommunizieren lieber etwas weniger als die Wettbewerber, schauen aber, dass wir die Erwartungen übererfüllen. Dann habe ich automatisch eine positive Verbindung zum Kunden. Wir wollen, dass die Menschen sagen: „Hey, das ist doch cooler als ich erwartet habe“. Und dann passiert es sehr häufig, dass sie uns weiterempfehlen. Wei unsere Produkte oft an viele weitere Leute verschickt werden, steht eine kleine URL-Zeile auf der Karte und das bringt die Leute ebenfalls zu uns. Wir geben uns unglaublich viel Mühe, sind für den Kunden immer erreichbar und extrem kulant. Wenn ein Kunde einen Rechtschreibfehler in seinem Text hat, dann schicken wir gratis ein paar neue Exemplare. Das müssen wir ja nicht unbedingt, aber es gehört für uns zum Selbstverständnis.

 

Sie betreiben aber exzessiv Werbung, etwa über Google Ad Words. Ich habe von einem siebenstelligen Betrag gelesen, der allein dazu dient, dass sie sich diesen Vertriebskanal erschließen.

Ich würde sagen, der ist schon mehr als siebenstellig. Es nützt nichts, nur ein tolles Produkt zu haben – und dann in Würde zu sterben, weil man das Produkt nicht verkauft. Es gehört eben auch viel Marketing dazu, um sich in diesem wettbewerbsintensiven Umfeld durchzusetzen. Alle bieten auf den gleichen Keywords an. Ich brauche Kunden, die über Empfehlungen und solche, die über anorganische Kanäle kommen. Und dann noch die, die ich mir über Suchmaschinenmarketing hole.

 

“Wir haben nun ein dediziertes Produktions-Tech-Team, das sich nur mit dem digitalen Workflows auseinandersetzt.”

Patrick Leibold

 

Ihr Printprodukt muss emotional aufgeladen werden?

Wir bedienen vorrangig Hochzeiten, Geburten und runde Geburtstage. Das Unemotionalste, das wir machen, sind Weihnachtskarten und Kalender. Das heißt, wir kommen aus extrem aufgeladenen Momenten. Bei einer Hochzeits- oder Geburtstagskarte darf nichts falsch laufen. Aber wenn das funktioniert, dann bin ich als Kunde extrem positiv gestimmt. Es wird ein bisschen anders werden, je weiter wir uns in Richtung klassischer Printprodukte ausdehnen. Wir werden aber versuchen, die Emotionalität aus unserem Kerngeschäft ein Stückchen mitzunehmen.

 

Sie haben derzeit etwa 370 Mitarbeiter in der Celebrate Company. Wie sieht die Struktur aus?

2020 haben wir uns durch den zugekauften Produktionsstandort deutlich verändert. Knapp über 100 Leute arbeiten nun irgendwo zwischen digitalem Dateneingang und Warenausgang. Wir haben eine Verwaltung, die vielleicht etwas größer ist, als man sie heute brauchen würde – weil wir ja auch Pläne haben. Ansonsten arbeiten bis uns sehr viel eigene Kreative: das fängt an mit dem eigenen Design-Team. Fast 40 Entwickler kümmern sich um das Programmieren von Webseiten und die Celebrate Apps. Das ist mit ein Grund, warum wir nicht mehr nur in Gilching vertreten sind.

 

Michael Lindemeier, Chief Production Officer, und Francisco Martinez, Geschäftsführer bei Celebrate Digital Printing in Schramberg (v.l.n.r.) (Bild: Celebrate Company)

 

Deshalb die Büros In Hamburg und München?

Man könnte ja sagen, das ist Komplexität, die man gar nicht braucht. Aber es ist ein Wettbewerbsvorteil beim Anwerben von Spezialisten. Wenn denen sage, das Büro ist in Gilching, dann könnte der eine oder andere möglicherweise etwas abgeschreckt werden. Und die Komplexität ist für uns gar nicht so entscheidend. Wir arbeiten ohnehin viel über Video und viel digital. Durch Corona sind wir jetzt noch mehr „Remote First“.

 

Das Thema Print ist leider oft „historisch“ aufgeladen. Wie schaffen sie es denn, das Thema Print „cool“ zu machen? Müssen die Mitarbeiter auch eine Affinität zum Produkt entwickeln?

Wir würden uns das wünschen. Wir sind aber auch realistisch genug, um zu wissen, dass das nicht bei jedem der über 300 Mitarbeiter funktionieren kann. Die Produktmanager sind zwar vielfach etwa gelernte Drucker und haben eine hohe Affinität zu Print. Aber ich glaube, was uns dann alle vereint ist, dass wir sehr viel aus der positiven Bindung zu den Kunden ziehen. Das physische Produkt ist ein nettes i-Tüpfelchen. Aber die wenigsten kommen und sagen: Ich möchte was mit gedruckten Sachen machen und deshalb gehe ich jetzt zur Celebrate Company.

 

Wie weit ist denn „Green Printing“ ein Diskussionsthema – intern und bei den Kunden?

Das ist schon eine ganze Weile ein Thema. Wir schauen uns zum Beispiel Steinpapier oder nachhaltige Farben an. Wir wollen auch weg vom Primer. Das ist für uns extrem wichtig, weil wir der Überzeugung sind, dass die Kunden das immer stärker nachfragen werden. Die Menschen werden zunehmend bewusster auf diesem Themenfeld. Allerdings, wenn es dann um die eigene Hochzeit geht, dann sind die meisten noch nicht willens, Recyclingpapier zu wählen. Wo wir das Thema Ökologie besonders stark ausgeprägt sehen, sind die Mitarbeiter. In Bewerbungsgesprächen hören wir oft die Frage: Was macht ihr beim Thema Nachhaltigkeit? Euer Produkt ist im Prinzip doch „Farbe auf tote Bäume“ – um das mal ganz platt zu sagen. Wo leistet ihr einen ökologischen Beitrag? Und da reicht es dann nicht, wenn man sagt, mein Firmenwagen ist jetzt elektrisch. Dann kommt als Replik: „Wo ist denn da der Hebel? Ihr verkauft zig Millionen Karten im Jahr. Macht doch da was.“

 

Wie sicher sind sie, dass Ihre Kernprodukte den technologischen und gesellschaftlichen Wandel auch langfristig überleben werden?

Das ist eine Frage, auf welchen Zeithorizont man schaut. Ich behaupte: ja. Die gedruckte Zeitung ist schon seit 20 Jahren totgesagt und lebt immer noch. Ich glaube, bei unseren Produkten wird dieser Beharrungsprozess noch deutlich länger dauern. Wer will denn schon zu seiner Hochzeit zu per Whats App einladen? Die Einladung zum 23. Geburtstag oder zur Grillparty – das wird künftig alles digital laufen. Aber für meine Hochzeit? Da hätte ich doch lieber gerne was Gedrucktes. Was ich mir aber für die Zukunft vorstellen kann, ist Augmented Reality: Dass ich mit meinem Handy über die Karte gehe und Zusatzinformationen erhalte, die ganz aktuell sind. Es wird in meiner Überzeugung in den nächsten – da lege ich mich jetzt mal fest – mindestens 10 bis 15 Jahren immer noch physische Karten geben.

 

Und wo soll Wachstum herkommen?

Es gibt inzwischen so unglaublich viele Fotos auf den Handys und die sind oft sehr gut. Doch wer setzt sich schon hin und sagt: ich guck mir jetzt 4.000 Fotos aus dem letzten Jahr an? Also geht es darum, für besondere Momente nochmal ein besonderes Medium zu erschaffen – egal ob das eine Karte ist, ein tolles Wandbild oder ein Kalender. Es geht darum, die Leute an die Hand zu nehmen und zu sagen: Weißt du eigentlich, welches die schönsten Fotos aus dem letzten Jahr waren? Technologisch schaffen wir dafür Lösungen mit den Celebrate Apps. Anhand von Interaktionen, Gesichts- und Bildstrukturerkennung können wir sagen: das ist das Foto mit der höchsten Responserate oder das hat das beste ästhetische Design. Und wir schlagen dann am Ende des Jahres zwölf Fotos für einen Kalender vor. Wenn wir dafür Algorithmen entwickeln, können wir die aber auch in der Gestaltung auf kartenmacherei.de nutzen. Wir profitieren eher davon, dass die Menschen viel mehr digitale Bilder machen.

 

“Die Druckerei Straub in Schramberg hat mit der Kartenmacherei dieses Geschäft erfolgreich zusammen entwickelt.”

Patrick Leibold

 

Sie haben vorhin von perfekten Produkten gesprochen. War das einer der Gründe, sich eine eigene Druckerei zuzulegen?

Das war mit der entscheidende Grund. Die Druckerei Straub in Schramberg hat mit der Kartenmacherei dieses Geschäft gemeinsam entwickelt. Sie war Impulsgeber und Möglichmacher. Wenn die Kartenmacherei mit ausgefallenen Wünschen kam, hieß es stets: Wow, das ist eigentlich nicht möglich, aber wir schließen uns mal im Keller ein. Und dann kamen sie nach einer Weile mit einer Lösung. Und so haben wir heute technische Lösungen, die es nicht in irgendeinem Regal zu kaufen gibt. Da war sicherlich Straub-Vorstand Francisco Martinez federführend, den wir jetzt auch als Geschäftsführer für unsere Druckerei gewinnen konnten. Er ist extrem umtriebig und hat zum Beispiel sehr früh auf die Fujifilm-Digitaldruck-Technologie gesetzt. Martinez ist immer den schwierigen Weg gegangen. Was dazu geführt hat, dass wir immer Produkte hatten, die ein bisschen mehr nachgefragt waren als andere.

 

Das heißt Gespür für den Markt ist wichtig?

Wir schneidern unsere Teams entsprechend zu. Wir haben zum Beispiel ein Team das heißt „New Weds“ und beschäftigt sich nur mit Hochzeitspaaren. Oder ein Team „Moms“, für die Zielgruppe „Junge Eltern“. Und die reden extrem viel mit dem Kunden. Sie testen auch extrem viel. Da muss man Zusammenarbeiten mit der Druckerei. Deswegen war woanders zu drucken für uns nie eine Frage, sondern es war eigentlich immer nur die Frage: Wann steigen wir bei Straub Druck ein? Was wir letztlich auch gemacht haben, um uns diesen Vorteil langfristig zu erhalten.

 

Andere Shops kaufen sich die Produktionsleistung lieber günstig extern ein.

Die können das machen, weil sie Produkte anbieten, die ich an jeder Straßenecke bekomme. Wir mussten dagegen die Druckerei reinholen. Wir entscheiden schon lange gemeinsam, in welche Technologien investiert wird. Dann kann ich doch auch die positiven Effekte der gemeinsamen Organisation nutzen. Wir haben der Druckerei zum Beispiel geholfen, Talente für den Standort Schramberg zu begeistern. Leute, die Straub sicherlich allein mit ihrem Employer Branding so nicht bekommen hätte. Das nutzt am Ende des Tages allen. Wir haben nun zudem ein dediziertes Produktions-Tech-Team, das sich nur mit dem digitalen Workflows auseinandersetzt. Wir haben auch sehr früh einen CPO von uns eingesetzt, der sich um die Digitalstrategie in der Druckerei kümmert.

 

Seit 2014 gibt es Faireparterie.fr, den Onlineshop für Frankreich. Mehr internationale Ambitionen hatten sie nicht?

Tatsächlich gab es zuvor einen erfolglosen Versuch in Holland Fuß zu fassen. Das hat überhaupt nicht funktioniert, weil das Produkt Geburtstagskarte in Holland ein ganz anderes ist. Also sind wir nach Frankreich gegangen, wo es tatsächlich den höchsten kulturellen Overlap gibt. Das Weihnachtsgeschäft zum Beispiel ist da sehr vergleichbar. Und es gibt so nette Sachen wie etwa individualisierte Flaschenetiketten, die haben 120-mal mehr Erfolg in Frankreich als in Deutschland. In Summe ist das super erfolgreich. Faireparterie wächst seit der Gründung im Schnitt gut über hundert Prozent jedes Jahr.

 

Das heißt aber, ihre Produkte sind sehr abhängig vom Kulturkreis? Und lassen sich nicht einfach ausrollen auf andere Länder.

Definitiv. Was hatten wir in Holland gemacht? Wir hatten einen deutschen Produktmanager und ein deutsches Design. Wir haben alles aus Deutschland gesteuert und nur eine Domain in Holland gekauft. Was machen wir jetzt anders? Wir haben ein Team mittlerweile ein Team aus Frankreich-Natives, die in Deutschland leben. Wir beschäftigen auch Mitarbeiter in Frankreich. Die kennen den Kulturraum besser, sind sprachlich deutlich versierter. Das Thema Grußkarten ist kulturell geprägt und überall unterschiedlich. Bilderboxen, Kalender, Fotobücher, diese ganzen Sachen sind, sagen wir mal, kulturagnostischer. Die kann ich ausrollen, wo ich will. Deshalb ist es für uns jetzt auch sehr wichtig, stärker in generische Bildprodukte reinzuwachsen.

 

Wie sieht denn jetzt Zukunft aus? Welche Rolle soll EMZ für den Wachstumsprozess spielen?

Wir hätten in der Vergangenheit immer mal die Gelegenheit gehabt, über Akquisitionen zu wachsen. Wir haben uns auch einige dieser Firmen sehr intensiv angeschaut, sind aber jedes Mal zu dem Schluss gekommen: Wenn wir das aus unserer eigenen Bilanz heraus machen, erhöhen wir für uns nur das Risiko. Deshalb wollten wir uns einen Partner an Bord holen. Mit EMZ haben wir nun jemanden gefunden, der ganz viel mitbringt. Sie sind aufgeschlossen für eine Buy-and-Build-Strategie. Also über Akquisitionen zu wachsen und sich zu verbreitern. Sie haben aber auch eine hohe Wertschätzung für unser Kerngeschäft. EMZ bringt das Knowhow mit wenn es darum geht, Firmen zu akquirieren und erfolgversprechend zu integrieren. Mit einer Minderheit deshalb, weil wir immer noch gern selbstbestimmt arbeiten und uns die Vorteile davon nicht nehmen lassen wollen.

 

Wie konnte Celebrate auch im vergangenen Jahr deutlich wachsen obwohl doch viele private Veranstaltungen gar nicht möglich waren?

Glücklicherweise machen wir nicht nur Dinge, die eventbasiert sind. Geburtskarten haben zum Beispiel einen unglaublich positiven Trend erlebt. Die Leute sehen, dass sie sich nicht mehr in der Drogeriemarkt-Filiale an so einen Fotodrucker setzen müssen, um Geburtskarten auszudrucken. Das geht auch online. Gleicher Preis, cooleres Produkt. Schon eine Woche, nachdem sich die Corona- Effekte gezeigt hatten, fingen wir an, unsere Teams neu aufzustellen. In der gesamten Company wuchs schnell die Überzeugung, dass wir neue Produkte launchen müssen. Wir haben zum Beispiel 1:1-Grußkarten eingeführt oder uns auf den Objekt-Versand konzentriert, also Schokolade und Präsente. Davon profitierten wir dann auch zu Weihnachten. Wir haben tonnenweise Schokolade verkauft. Es kommt darauf an, eine Organisation zu bauen, die resilient ist,  die es schafft, selbst zu denken und nicht nur so gut ist wie die ein, zwei Leute an der Spitze. Jeder unserer Mitarbeiter weiß selbst besser, was zu tun ist.

 

Das Interview führte Gerd Bergmann.

 

Patrick Leibold 

verantwortet als Co-CEO zusammen mit Steffen Behn die Geschäfte der Celebrate Company Unternehmensgruppe, zu der u.a. der Onlineshop Kartenmacherei, Celebrate Apps und Celebrate Digital Printing gehören. Der 39-jährige blickt auf über zwölf Jahre Erfahrung in der Druck- und Medienbranche sowie im E-Commerce zurück: Er war CFO bei Avandeo und hat als Associate Operating Partner bei der Private Equity Gesellschaft Aurelius AG Firmen saniert. 2017 ist er als COO zur Kartenmacherei gewechselt und hat 2021 die Dachgesellschaft Celebrate Company mitgründet. Der gebürtige Velberter ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

 

 

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