Den gesamten Wertschöpfungsprozess im Packaging abbilden

Interview mit Bernhard Gansert, Vice President Postpress Solutions bei Koenig & Bauer

Bernhard Gansert (rechts) erklärt Matthias Siegel von der Grafischen Palette in Radebeul die Vorzüge der Flachbettstanze CutPro Q 106, die mit dem DriveTronic-Anleger der Rapida und dem optischen Bogenanlagesystem Cut2Print arbeitet.

Mit der Berufung von Bernhard Gansert zum Vice President Postpress Solutions im November 2024 hat Koenig&Bauer das Segment der Weiterverarbeitung und dessen Bedeutung für die gesamte Produktionskette gestärkt. Durch seine umfangreiche Erfahrung und Expertise soll Gansert dazu beitragen, innovative Lösungen und effiziente Prozesse in der Weiterverarbeitung voranzutreiben.

Grafische Palette: Ihr beruflicher Weg hat Sie durch verschiedene Stationen in der Druckbranche geführt. Würden Sie uns ein wenig auf diesen Weg mitnehmen?

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Bernhard Gansert: Nach einer Lehre zum Siebdrucker und dem Studium an der Hochschule der Medien im Stuttgart war ich ab 1999 bei einem Druckmaschinenhersteller tätig, zunächst in verschiedenen Funktionen im Bereich Corporate Marketing und Corporate Strategy, ab 2003 dann für Postpress und Packaging. Hier habe ich den technischen Vertrieb geleitet. 2016 wechselte ich als Vertriebsleiter zu einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen für Heißprägefolienmaschinen. 2024 schließlich trat Koenig & Bauer in mein Leben, mit einem Stellenprofil, das fast so aussah, als hätten sie meinen Lebenslauf abgeschrieben (lacht). Insgesamt bin ich seit über 35 Jahren in der Branche tätig.

Grafische Palette: Für welches Segment genau tragen Sie jetzt die Verantwortung?

Bernhard Gansert: Mein Bereich umfasst alles, was an Produktionstechnik nach der Bogendruckmaschine kommt. Koenig & Bauer bedient mit seinen Produkten ja den gesamten Wertschöpfungsprozess – vom Druckprozess mit den Rapidas bis zu dem Moment, in dem wir eine Faltschachtel in unseren Händen halten. Das ist nur möglich, da das Unternehmen vor Jahren den Entschluss gefasst hat, den kompletten Prozess der Faltschachtelproduktion mit einem eigenen Produktportfolio abzubilden. Beispiel Bogenstanzen. Da hat Koenig & Bauer 2016 den traditionsreichen Stanzmaschinenhersteller Iberica in die Firmengruppe integriert. Mittlerweile haben wir ein leistungsfähiges Portfolio, das von der Optima über die Ipress bis zur Cut-Pro Q reicht, im Programm.

Und dann sind da noch die Faltschachtelklebemaschinen: Duran Machinery wurde mit seinen Omegas ebenfalls vor einigen Jahren Teil der Koenig & Bauer- Gruppe. Also verfügen wir auch hier über ein breites Produktportfolio – von der Intro, dem smarten Einstiegssystem, über die Allpro als Universalmaschine bis hin zur Alius als Schnellläufermaschine sowie der Magnus für die Wellpappe.

Zwar trage ich für den Bereich der Druckweiterverarbeitung bei einem großen Branchenplayer die Verantwortung, aber man muss schon betonen, dass Koenig & Bauer über die Dynamik eines Mittelständlers verfügt. Flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege kennzeichnen bei uns die Arbeitsweise. Ich bin glücklich, Teil eines dynamischen und ambitionierten Teams zu sein.

Grafische Palette: Die Rolle der Verpackung hat sich in der Druckindustrie stark verändert. Sehen Sie darin eine Chance für klassische Druckereien, sich neu aufzustellen?

Bernhard Gansert: Auf jeden Fall. Unsere Kunden aus der Verpackungsindustrie verstehen sich nicht als Verpackungsdrucker, sondern Verpackungshersteller. Für sie ist der Druck nur ein Teil in der Produktionskette. Die Weiterverarbeitung spielt für sie eine enorm wichtige Rolle. Aber, um ganz konkret auf Ihre Einordnung der Druckindustrie einzugehen: Der Druck selbst verliert in vielen Bereichen mehr und mehr an Bedeutung als Informationskanal. Das heißt, den klassischen Akzidenzdruckern gehen Produktsegmente verloren, weshalb sie teilweise neue Geschäftsfelder suchen. Dies kann beispielsweise der Bereich Kartonagen, Verpackungen oder Spezialitäten sein – mit Produkten, die einen funktionellen Mehrwert bieten. Der Schlüssel hierfür liegt in der Weiterverarbeitung.

Grafische Palette: Sie bedienen mit Ihren Maschinen große und kleinere Kunden?

Bernhard Gansert: Selbstverständlich. Auf der einen Seite bedienen wir mit unseren Weiterverarbeitungssystemen große Verpackungsgruppen, die hohe Volumina produzieren – zum Beispiel aus der Lebensmittel- und Süßwarenindustrie. Auf der anderen Seite haben wir die kleineren Betriebe mit ihren ganz besonderen Anforderungen im Blick. Etwa mit dem wachsenden Bedarf an Systemen, an denen auch weniger qualifizierte Bediener schnell und effektiv arbeiten können, denn der Fachkräftemangel ist sicherlich eines der ganz großen Themen, das die Branche derzeit um treibt. In diesem Bereich kommen auch heute schon digitale Lösungen wie unser myKyana-Portal zum Einsatz, denn wir hören gerade von kleineren Kunden häufig, sie bräuchten unbedingt ein System, das den Bediener noch besser „an die Hand“ nimmt. Und my-Kyana bietet da bereits fortschrittliche Lösungen wie zum Beispiel Kyana Assist, das ähnlich wie ChatGPT funktioniert. Bediener fragen den Chatbot und bekommen Antworten, die eben auch leicht verständlich sind.

Grafische Palette: Künstliche Intelligenz ist also auch ein Thema?

Bernhard Gansert: Ein großes Thema sogar. In meiner Vision überwacht die Künstliche Intelligenz den gesamten Produktionsprozess und spricht von sich aus Schwachstellen an. Die KI wird in Zukunft den Bediener führen.

Grafische Palette: Schwachstellen automatisch an-sprechen – Sie beziehen sich hier auf die Thematik „Vorrausschauende Wartung – Predictive Maintenance“?

Bernhard Gansert: Ganz genau, Predictive Maintenance ist ein wichtiger Aspekt. KI kann dabei helfen, mögliche Störungen frühzeitig zu erkennen und Wartungsmaßnahmen zu planen, bevor es überhaupt zu einem Ausfall kommt. Aber das ist nur ein Teil davon. Eine wirklich intelligente Produktionsumgebung geht noch weiter: Sie analysiert kontinuierlich die Prozesse, schlägt Optimierungen vor und lernt aus vergangenen Abläufen, um die Effizienz langfristig zu steigern.

Grafische Palette: Im Mai laden Sie zu einem Open House nach Radebeul ein. Was werden Sie zeigen?

Bernhard Gansert: Der Fokus wird auf zwei Schwerpunkten liegen. Erstens: Faltschachtelproduktion im industriellen Stil, High Volume; das andere Thema ist Shortrun-Packaging. Hier wollen wir auch jene Kunden ansprechen, die dort noch gar nicht so aktiv und primär eher noch im Akzidenzdruck unterwegs sind.

Grafische Palette: Welche Systeme genau werden dabei im Mittelpunkt stehen?

Bernhard Gansert: Die Mittelformatoffsetdruckmaschine Rapida 106 X; die revolutionäre Rotationsstanze CutPro X 106 und die Flachbettstanze CutPro Q 106 für industrielle Verarbeiter, dazu die Ipress 106 Pro, das ist eine Leistungsklasse unter der CutPro Q, also „gehobene Mittelklasse“. Hinzu kommt die Omega Allpro 110 als Universalklebemaschine sowie ihr Schwestermodell Allpro 90. Selbstverständlich werden auch daten- und KI-basierte Anwendungen zum Einsatz kommen.

Kontakt:

Koenig & Bauer
www.koenig-bauer.com