Editorial aus Deutscher Drucker 4/2019

Die Druckbranche ist in bester Gesellschaft

Trommeln für die eigene Branche, wie zum Beispiel auf dem Portal gutenbergshelden.de. (Bild: Screenshot)

„Fachkräftemangel: Buchbinderei Johst stellt Geschäftsbetrieb ein“. So hieß es Ende vergangener Woche auf print.de. Eine Buchbinderei mit Sitz in Wermsdorf bei Leipzig macht dicht, weil sie kein geeignetes Fachpersonal mehr findet. Aber ist dieses Problem denn branchenspezifisch? 

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2008 hatte das Unternehmen noch in eine Klebebindeanlage investiert, die zweischichtig betrieben werden muss, um sich zu rechnen. Aber dafür braucht es Leute. Leute, die die Buchbinderei jetzt offenbar nicht mehr finden konnte. Klar, mag das zugespitzt sein. Klar, mögen auch noch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben. Fakt ist aber, dass die Zahl der Auszubildenden in der Druckindustrie seit Jahren zurückgeht – was die Betriebe zunehmend vor Probleme stellt.

12172 Auszubildende gab es 2017 für sämtliche Ausbildungswege in der Druckindustrie. Zehn Jahre zuvor waren es noch 17666, im Jahr 2008 sogar 18538. Seit 2009 zeigt die Kurve kontinuierlich nach unten. 2123 Auszubildende ließen sich 2017 zum Medientechnologen Druck ausbilden – 0,48 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Ausbildungsverträge für den Medientechnologen Druckverarbeitung stagnierte bei 673.

Immerhin: In beiden Bereichen stieg die Zahl derer, die eine Ausbildung starteten, leicht an: 267 junge Leute begannen 2017 ihre Ausbildung zum Medientechnologen Druckverarbeitung (zwei mehr als 2016), 827 Schulabgänger wollten Medientechnologe Druck werden, sechs mehr als im Vorjahr. Doch machen wir uns nichts vor. Nicht alle, die ihre Ausbildung begonnen haben, werden sie am Ende auch abschließen. Schwund ist immer. Und wo der Nachwuchs fehlt, ­fehlen später die Experten.
Liegt’s mal wieder an der Branche? Sind wir selbst schuld, weil wir es nicht hinkriegen, den jungen Leute ein positives Bild der Druckidustrie zu vermitteln? Wohl eher nicht. Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fehlen branchenübergreifend 1,6 Millionen Arbeitskräfte. Fast jedes zweite Unternehmen gab im DIHK-Arbeitsmarktreport 2018 an, offene Stellen längerfristig nicht besetzen zu können. Laut Bundesagentur für Arbeit blieben 2018 Stellen für Fachkräfte im Schnitt 107 Tage unbesetzt. Im Jahr zuvor waren es noch 103 Tage, im vorvergangnen Jahr 97 Tage. Und das betrifft fast alle Sparten: Berufe im Bauwesen, aber auch technische Berufe, selbst den scheinbar so attraktiven IT-Bereich, und natürlich die Pflegeberufe. Und besonders betrifft es den Mittelstand. Die Druckindustrie ist also in bester Gesellschaft.

Ein Trost ist das nicht. Ein Problem schon: Einem Artikel der Welt zufolge entgehen dem deutschen Mittelstand 50 Milliarden Euro Umsatz, weil zu viele Stellen unbesetzt bleiben.

Dabei haben gerade die mittelständischen Unternehmen jede Menge zu bieten: geringere Fluktuation, eine persönliche Arbeitsatmosphäre, kurze Entscheidungswege, flacherere Herarchien, um nur ein paar zu nennen. Trotzdem stehen auf der Liste der beliebtesten Arbeitgeber ganz oben Konzerne wie SAP, Infineon, Bosch, Daimler und BMW – einfach weil sie jeder kennt. Und wer mit diesen Namen in den Wettbewerb geht, der muss schon gute Argumente haben. Argumente, die mehr Gewicht haben, als allein das Gehalt, denn es ist klar, dass die Mittelständler in diesem Bereich in einer anderen Liga spielen.
Es gilt also mal wieder, für sich selbst zu trommeln, die Vorzüge eines kleineren Unternehmens herauszustellen und sich selbst als attraktiven Arbeitgeber in Szene zu setzen. Das gilt offline in der Kooperation mit Schulen, bei lokalen Veranstaltungen und Aktionen, die – nicht ganz unwichtig – auch die Eltern der potenziellen Azubis mit ins Boot holen, bei Praktika und Schnuppertagen. Das gilt aber auch online, weil die Suche nach einem Beruf oder einem interessanten Betrieb ganz oft im Netz – sei es bei Google oder in den Sozialen Medien – beginnt.

Vielleicht lohnt es sich ja, mal zu schauen, welche Ideen andere Branchen haben. Vielleicht finden sich Inspirationen, vielleicht ergeben sich Möglichkeiten, voneinander zu lernen oder auch eine Chance, wo es Sinn macht, zu kooperieren. Denn, wie gesagt,
die Druckindustrie ist in bester Gesellschaft.

Der Beitrag erschien als “Andruck” in Deutscher Drucker 4/2019, der im print.de-Shop bestellt werden kann.

 

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