»Vorwärtsdenken« in der Druckindustrie

Print 4.0 – Idee schlägt Technik

Druckindustrie: Eine individuelle Digitalstrategie und eine gewisse Art von Unternehmenskultur sind in der Druckindustrie der Zukunft unabdingbar.
Eine individuelle Digitalstrategie und eine gewisse Art von Unternehmenskultur sind in der Druckindustrie der Zukunft unabdingbar. (Bild: Pixabay)


Die konsequente Digitalisierung und Vernetzung der eigenen Fertigung ist quasi die »Keimzelle« für Print 4.0. Doch entscheidender ist die darauf aufbauende strategische Fragestellung: Welche Geschäftsfelder lassen sich durch intelligente Verknüpfung der Prozesse innerhalb des eigenen Unternehmens sowie mit den Partnern eines Wertschöpfungsnetzwerks entwickeln? Betriebe mit einer bestimmten Art von Unternehmenskultur sind bei der Beantwortung der Frage klar im Vorteil.

 

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Druckindustrie 4.0: Was ist in der Produktion zu tun?

Die unternehmerisch getriebene und anhand wirtschaftlicher Kriterien priorisierte Automatisierung und Technologieeinführung erfordert zwingend eine individuelle Digitalstrategie, die Technologien anhand ihres Wertbeitrags zu den Unternehmenszielen priorisiert und nicht von Herstelleropportunitäten abhängig macht. Mit der Erarbeitung einer Digitalstrategie geht die Entwicklung eines Leistungserbringungsmodells einher, das heißt einer generellen Überlegung, wie die beabsichtigten Dienstleistungen operativ erbracht werden sollen, in welchen Prozessen und mit welchen Personalqualifikationen.

Im Handlungsfeld »Produktion« ergibt sich daraus für die Druckindustrie folgender Handlungsbedarf:

 

  • Auf Schnittstellenoffenheit achten:
    Bei Investitionen in Produktionssysteme ist Schnittstellenoffenheit ein wichtiges Entscheidungskriterium. Systeme, die für den Einsatz in der Druck- und Medienwirtschaft entwickelt wurden, sollten insbesondere den aktuellen Standard XJDF (Exchange Job Definition Format) unterstützen, der Prozesse und Produkte auf Basis von reinem XML be­schreibt. XJDF wurde Anfang 2018 durch das CIP4-Konsortium als Alternative zum JDF-Format veröffentlicht. Die Kommunikation von Produktions- und Auftragsdaten erfolgt hier nach einem moderneren Datenmodell als bei JDF, welches (auch wegen seiner sperrigen Struktur) durch die Systemanbieter oft nur unzureichend und in untereinander inkompatiblen Dialekten implementiert wurde.
    Es ist zu erwarten, dass die unterschiedlichen Hersteller weiterhin eigene Schnittstellenlösungen zur Automatisierung ihrer Produktionssysteme anbieten. Ob sich aus verschiedenen proprietären Herstellerstandards jedoch irgendwann ein De-Facto-Standard herausbildet, ähnlich wie im kaufmännischen Bereich SAP seit geraumer Zeit die Standardprozesse in den Großunternehmen prägt, bleibt offen. Druck- und Medienunternehmen tun daher gut daran, sich nicht ausschließlich als passive Konsumenten von Standards zu verstehen, sondern sich entweder direkt in den einschlägigen Gremien (zum Beispiel DIN, ISO oder CIP4) an deren Entwicklung zu beteiligen oder zumindest indirekt über ihre Verbände die Entwicklung geeigneter Standards anzustoßen und zu beeinflussen. Darüber hinaus sollten sie sich über branchenübergreifende Schnittstellenstandards informieren und deren Nutzenpotenzial für die eigenen technischen und kaufmännischen Prozesse klären.

 

  • Qualifikationsprofile anpassen:
    Die in- und extern digital vernetzte Zusammenarbeit erfordert adäquate Arbeitsformen. Automatisierung entsteht nicht allein durch den Erwerb von Technologie, sondern muss aktiv in Form eigener Prozesse im Unternehmen eingeführt werden.
    Wie in anderen Branchen bedarf es dazu einer Flexibilisierung von Betriebsstrukturen und Qualifikationsmodellen, die auf allen Ebenen das Zusammenwirken zwischen kaufmännischen und technischen Prozessen sowie zwischen Unternehmensführung und operativer Umsetzung stärken. Neben fachlichen Kompetenzen sind IT- und Problemlösungskompetenz sowie Kommunikationsfähigkeit als Schlüsselqualifikationen in allen Unternehmenspositionen gefragt.
    Mit der Entledigung von Routineaufgaben und der Konzentration auf koordinierende oder spezialisierte Tätigkeiten steigt der Anspruch an Qualifikation und Eigenverantwortung der Mitarbeiter. Unternehmerische Entscheidungen werden auch in der Produktion gefällt. Qualifikations- und Führungsmodelle müssen diese Aspekte berücksichtigen und sind an die sich rasch ändernden technischen Rahmenbedingungen anzupassen.
    Dies gilt nicht nur im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Prozessabläufen, sondern auch und besonders im Hinblick auf das angestrebte Dienstleistungsportfolio, bei dem es unter Um­ständen darauf ankommt, die Geschäftsfelder bestimmter Kundengruppen genau zu verstehen, um passende Lösungen anbieten zu können. Inwieweit diese Qualifikationsanforderungen durch Weiterbildung der vorhandenen Mitarbeiter erfüllt werden können oder ob es dazu erforderlich ist, gezielt nach neuen Kräften zu suchen, ist durch die Digitalstrategie zu beantworten.

 

  • Unternehmenskultur ist Erfolgsfaktor!
    Die Übertragung zusätzlicher Kompetenzen auf die Mitarbeiter fördert das Denken und Handeln im Sinne des Unternehmens und steigert die Motivation. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, gerade im IT-Bereich, erweist sich eine wertschätzende Unternehmenskultur, die Eigeninitiative fördert, auch bei der Werbung um qualifiziertes Personal, als äußerst wertvoll.
    Produkt- und Prozessinnovationen werden immer wichtiger für den Geschäftserfolg. Daher müssen alle Mitarbeiter, nicht nur die Führungsebene, motiviert werden, innovativ zu sein, und dafür auch den notwendigen Freiraum erhalten. Wer innovativ ist, geht Risiken ein. Das bedingt eine Fehlerkultur, die auch die Möglichkeit des Scheiterns zulässt.
    Unterschiedliche Perspektiven und Blicke über den Tellerrand hinaus fördern die Kreativität und damit die Innovationskraft. Daher ist der Austausch zwischen den Abteilungen, aber auch über die Grenzen des Unternehmens hinaus, sehr wichtig. Kongresse und Messen können wertvolle Impulse für Innovationen geben. Das trifft auch und besonders auf die Branchenveranstaltungen der Kunden zu. Damit die Ideen aber nicht verpuffen, benötigt man im Unternehmen geeignete Prozesse, um sie systematisch zu bewerten und in Produkte bzw. nutzbringende Anwendungen zu verwandeln.
    Viele neue Ideen und Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit der digitalen Transformation werden in jungen Unternehmen entwickelt, wo statt starren Hierarchien und linearen Strukturen die Arbeit offen, kommunikativ, demokratisch und dynamisch in Netzwerken stattfindet (Startup-Kultur). Produkte und Dienstleistungen werden mithilfe von Konzepten wie »agiles Arbeiten« oder »Design Thinking« entwickelt. Druck- und Medienunternehmen sollten überlegen, inwieweit sie die Schnelligkeit und Flexibilität solcher Arbeits- weisen für sich nutzen können. Auch wenn es selten möglich sein wird, derartige Konzepte flächendeckend zu implementieren, können einzelne Unternehmensbereiche oder Projektteams davon unter Umständen doch profitieren. Allerdings ist darauf zu achten, dass Probleme entstehen können, wenn in einem Unternehmen unterschiedliche Kulturen zusammenprallen. Mitunter ist es daher ratsam, sich geeignete (Startup-)Partner für Aufgaben zu suchen, die eine besonders agile Arbeitsweise erfordern, bzw. dafür eigene Organisationseinheiten zu bilden, die weitgehend autonom handeln können. [10041]

 

Sind Sie gerade dabei, Ihre eigene individuelle Print-4.0-Strategie zu erarbeiten? Dann hilft Ihnen mit Sicherheit unser Artikel-Sechsteiler im Deutschen Drucker weiter. Die Inhalte der Serie basieren komplett auf der Publikation »Druckindustrie 4.0« von Harry Belz (BVDM) und Wilhelm Zacharias (BVDM) sowie Wolfgang Beinhauer vom Fraunhofer IAO.

Lesen Sie Teil 5 der Serie im aktuell erschienenen Heft DD19/2019.
Die Gesamtpublikation des BVDM finden Sie HIER (nur für Verbandsmitglieder verfügbar).

 

PDF-Download: Deutscher Drucker 20/2019

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