Menschen in der Druckindustrie: Ralf Lokay

Der Vorreiter

Ralf Lokay, Geschäftsführer der Umweltdruckerei Lokay in Reinheim bei Darmstadt
Ralf Lokay, Geschäftsführer der Umweltdruckerei Lokay in Reinheim bei Darmstadt. (Bild: Fotostudio Hirsch)


Das 35-Mitarbeiter-Unternehmen Lokay im südhessischen Reinheim zählt zu den bekanntesten und am meisten ausgezeichneten Druckbetrieben in Deutschland. Im Interview mit print.de schildert Ralf Lokay, wie er mit einer konsequent agierenden Umweltdruckerei einer der Vorreiter der Branche wurde und was dies so alles mit sich bringt.

 

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Preisgekrönte Umweltdruckerei

 

print.de: Erst vor kurzem haben Sie, Herr Lokay, zum wiederholten Mal den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten. Dazu gab es jüngst den Deutschen Umweltmanagement-Preis. Von den zahlreichen Druck&Medien Awards gar nicht zu reden. Haben Sie überhaupt noch den Überblick, wieviele Preise das Unternehmen Lokay schon verliehen bekommen hat?

Ralf Lokay: Die Zahl kann ich Ihnen nicht sagen, die Vitrine ist voll. Wir brauchen eine neue Vitrine oder wir müssen etwas rausnehmen, was nicht so wichtig ist. Unser Antrieb ist es aber nicht, Preise zu gewinnen. Auch wenn das schön ist.

 

print.de: Sie schaffen diese bundesweite Aufmerksamkeit auch als kleinerer Mittelständler.

Ralf Lokay: Hier am Standort Reinheim sind wir im Moment 35 Mitarbeiter und denken, dass wir damit annähernd unsere optimale Größe erreicht haben. Wir haben für uns das Thema Wachstum schon definiert: Dass wir jetzt eher qualitativ wachsen und nicht unseren Umsatz immer noch weiter steigern wollen. Größer, höher, schneller, weiter – das würde ja auch bedeuten: entsprechende Investitionen. Wenn man sich aber in neue Verbindlichkeiten stürzt, dann ist man wieder irgendwo der Sklave der Bank oder der Maschinenfirma. Wir wollen aber weiterhin frei und selbstbestimmt bleiben.

 

Mein Leitspruch ist: Alles was wir tun, sollte sinnvoll sein!“

 

print.de: Wie sind Sie ins Unternehmertum gestartet?

Ralf Lokay: Ich habe das Unternehmen 1993 von der Familie gekauft. Mein Großvater hatte die Firma 1932 gegründet. Mit 23 Jahren war ich damals noch ein bisschen blauäugig. Historisch bedingt hatte unsere Druckerei immer sehr stark für Verlage gearbeitet. Dann kam auch die Globalisierung bei den Verlagen. Aufträge, die wir nicht wirklich gut konnten, mussten woanders hingefahren werden, teils ins Ausland. Da war die Wertschöpfung natürlich bei uns nicht mehr auf dem Niveau, dass es sich für uns gerechnet hat. Das hat mir alles ein bisschen zu denken gegeben.

 

print.de: Welchen Hintergrund haben Sie selbst?

Ralf Lokay: Ich habe in der Druckerei unter der Regie meines Großvaters Drucker gelernt und danach war ich fünf Jahre in anderen Unternehmen tätig. Unter anderem habe ich für einen großen Werbeartikel-Versender den Einkauf der Druckerzeugnisse gemacht. Dann kam die Weiterbildung zum Meister und Techniker. Schließlich bin ich zurück ins elterliche Unternehmen. In den fünf Jahren zwischen 18 und 23 war sehr viel Bewegung und ich habe viele interessante Menschen kennengelernt. Das hat mir bis heute geholfen, ein gutes Netzwerk zu haben.

 

Menschen aus der Druckindustrie

 

print.de: Gab es für die Ausrichtung als „umweltfreundliche Druckerei“ einen Zündfunken?

Ralf Lokay: Meine Frau hatte mich damals in einen Bioladen mitgenommen und das war die Initialzündung. Ich habe mir angesehen, welche Marken es gibt und wie sie werben. Was haben die wohl für Nöte? Wie kann man da Nutzen stiften? Und ich dachte: Okay, jetzt versuche ich mal mit den Leuten in Kontakt zu kommen.
Von den Firmen kam zum Beispiel die Aussage, es sei wichtig, dass wir in der Kette auch Partner haben, die zu uns passen. Die Überzeugungstäter haben damals schon so gehandelt, auch ohne Lieferkettengesetz. 2007 waren wir eine der ersten Druckereien, die auf der „Biofach“ in Nürnberg ausgestellt haben. Dort kam ein großer Hersteller von Naturkosmetik zu uns auf den Stand und hat tatsächlich gesagt: „Hallo, auf Sie habe ich gewartet.“ Wir seien das erste Druckunternehmen das meint, es „richtig machen zu wollen“.

 

print.de: Der Weg zur „Umweltdruckerei“ war doch sicher ein stetiger Prozess und ist auch mit einer Menge Kosten verbunden? In den 1990er-Jahren gab es wohl noch nicht viele Kunden, die Sie mit offenen Armen empfangen haben?

Ralf Lokay: Ja, das war schon so. Wenn man so den Zeitraum von 1993 bis 2004 anschaut, war es ein intrinsisch motiviertes Thema. Die Studie des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums stammt bereits aus dem Jahr 1972. Das ist also schon seit 50 Jahren bekannt, aber wenige haben etwas getan. Dann habe ich für mich gesagt: Ich möchte etwas bewegen. Und ich möchte versuchen, meinen Fußabdruck so gut wie möglich zu verkleinern. Und dann gibt es natürlich auch interessante Menschen, die man auf dem Weg kennenlernt, zum Beispiel den Alnatura-Gründer. Mein Leitspruch ist: Alles, was wir tun, sollte sinnvoll sein!

 

print.de: Wie haben Sie das dann in die Praxis umgesetzt?

Ralf Lokay: Geholfen hat das Prinzip: Alles, was wir machen, sollte zertifiziert sein. 2007 haben wir uns entschieden, uns nach EMAS zu zertifizieren, um ein Umweltmanagement-System zu haben, das uns eine Richtschnur gibt und das uns auch zwingt, uns stetig zu verbessern.
Parallel haben wir auch angefangen, bei den ersten Awards teilzunehmen. Das waren damals tatsächlich die Druck&Medien Awards gewesen und dabei sind wir schon zur „Umweltdruckerei des Jahres“ gekürt worden. Wir wurden auch „Familien-Unternehmen des Jahres“ und dann ging das halt so weiter. Wir wurden gesehen und wurden vorgeschlagen. Und dann bekamen wir einen Preis nach dem anderen.

 

Die Umweltdruckerei Lokay in Reinheim bei Darmstadt
Die Druckerei in Reinheim. Für die Toilettenspülung und Gartenbewässerung nutzt Lokay das Regenwasser aus einer 8.000-Liter-Zisterne. Als zusätzlichen Beitrag zur Biodiversität gibt es im Druckereigarten zwei Bienenvölker mit über 60.000 Bienen. (Bild: Fotostudio Hirsch)

 

print.de: Ist Lokay eine Blaupause für Mittelständler?

Ralf Lokay: Auf jeden Fall konnten wir schon einige inspirieren. Wir haben zum Beispiel 2004 die erste Papierkollektion mit umweltfreundlichem Papier herausgebracht. Dazu hatten wir viel recherchiert und ich war auch beim Branchenausschuss von FSC mit dabei. Diese Kollektionen haben wir dann mit unseren Eigennamen versehen und in den Markt gebracht. Wir haben dann gesehen, dass auch Kollegen die Papierkollektion fast 1:1 mit ihren eigenen Markennamen übernahmen. Oder das Thema Wärmerückgewinnung. Das haben wir 2013 umgesetzt und konnten anderen Unternehmen zeigen, dass dies eine gute Möglichkeit ist. Prozesslose Platten. Noch so ein Beispiel. Blaupause? Kann man schon so sagen.

 

print.de: Hängt Ihr ganzes Geschäft als Mittelständler an diesem Thema Umwelt? Oder gibt es Kunden, denen das egal ist??

Ralf Lokay: Wenn Sie aktuell bei uns durch die Halle gehen, dann würden Sie im Prinzip nur Jobs für Unternehmen mit Bezug zum Thema Umwelt sehen. Dazu kommen Stiftungen oder Verbände, Institutionen, die mit dem Thema Nachhaltigkeit zu tun haben. 90 Prozent unserer Kunden sind entsprechend unterwegs. Für andere Unternehmen machen wir zum Beispiel nur den Nachhaltigkeitsbericht. Nach dem Motto: Wenn wir schon so einen Nachhaltigkeitsbericht produzieren lassen, dann soll das eben in einer Druckerei erfolgen, die einen Bezug dazu hat.

 

print.de: 35 Mitarbeiter ist noch eine Größe, bei der man jeden Mitarbeiter persönlich kennt. Ist das ein Grund, warum Sie nicht weiter wachsen wollen?

Ralf Lokay: Ich denke mal, mit jedem Wachstum wird es schwieriger, die eigenen Ansprüche zu erfüllen. Das ist auch so eine Einstellung von mir: Irgendwann muss man auch mal zufrieden sein mit dem, was man hat. Inzwischen haben wir eine Umsatzgröße von etwa 5,5 Millionen Euro im Mittel erreicht. 6 Millionen ist noch so ein Thema, das könnten wir packen. Wenn man was Gutes tun will, braucht man auch das entsprechende Personal. Wir haben beispielsweise eine Mitarbeiterin, die sich nur ums Marketing, und einen Nachhaltigkeitsbeauftragten, der sich um die Zertifizierungen und die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie kümmert. Das sind zwei Mitarbeiter, deren Anteil am Geschäftserfolg man nicht so einfach messen kann.

 

print.de: Reicht der Marketingeffekt als Gegenfinanzierung aus?

Ralf Lokay: Würde ich schon sagen, ja. Wir haben keine Verkäufer, die bei Kunden und Interessenten unterwegs sind. Wir werden gesehen, wir werden empfohlen. Im Moment ist es so, dass wir hier im Innendienst mit mir vier Mitarbeiter sind. Die wuppen das. Wir sind gut ausgelastet und es funktioniert. Wir brauchen eigentlich am Markt auch nicht mehr viel dazu akquirieren. Aber wie lange das noch so geht, müssen wir sehen. Es ist allerdings schon sehr beruhigend, dass es so ist, wie es gerade ist. Aber das ist einfach auch unser Erfolg. Wir sind den Weg systematisch gegangen. Wir haben uns überlegt: Was müssen wir machen? Und erst wenn wir das umgesetzt haben, dann kommunizieren wir es. Und nicht vorher. Da muss schon so ein roter Faden sein. Die Kunden schätzen diese gelebte Authentizität und dass ein System dahinter ist.

 

„Wir haben keine Verkäufer, die bei Kunden und Interessenten
unterwegs sind. Wir werden gesehen, wir werden empfohlen.

 

print.de: Wird Ökodruck also honoriert?

Ralf Lokay: Wir haben sehr viele langjährige Partner, mit denen wir zusammenarbeiten, mit denen wir gewachsen sind und die uns wohl auch in der Zukunft begleiten werden. Und es gibt neue. Wenn es keine öffentlichen Ausschreibungen sind, erhalten wir auch Aufträge, obwohl wir nicht der günstigste Bieter sind. Wir befinden uns aber in keiner Blase, wo wir machen können, was wir wollen und müssen uns durchaus am Wettbewerb orientieren. Aber wenn die Themen Ökonomie, Ökologie und Soziales bei unseren Kunden sehr starke Kriterien für die Auswahl des Partners sind, dann finden wir auch einen Weg, dass wir zusammenbleiben.

 

print.de: Wie oft ist es Ihnen denn schon passiert, dass in Gesprächen Druckprodukte per se als umweltschädlich eingestuft werden?

Ralf Lokay: Es wird ja letztendlich immer etwas verbraucht bei der Druckherstellung. Unsere Kunden werden auch jünger, und gerade bei den Jungen wird schon häufiger die Frage gestellt: „Machen Sie sich keine Gedanken über ihre Zukunft?“ Denn irgendwann werde ja mal nicht mehr gedruckt werden. Das tut uns natürlich ein bisschen weh, wenn das so gesagt wird. Wir entgegnen dann, ob sich der Kunde denn schon mal angeschaut habe, was passiert, wenn alles von irgendeinem Server heruntergeladen wird? Wir versuchen dann ein Gespräch dahingehend zu führen, dass dies mal kritisch hinterfragt wird. Es gibt doch eigentlich nichts Umweltfreundlicheres als ein Druckerzeugnis, denn die Produkte, die wir in den Markt bringen, gehen wieder zurück in den Kreislauf.

 

print.de: Ist das bei Ihnen so wie bei den Sterneköchen, dass man sich da unter Druck gesetzt fühlt? Sie können ja nicht von heute auf morgen da raus und Ihr Geschäft anders aufziehen?

Ralf Lokay: Das nicht, aber wir arbeiten stets daran, unsere Positionierung klar herauszustellen und unseren Kunden sinnvolle Produkte anzubieten. Was mit den Auszeichnungen kommt und was uns sehr beansprucht: Dass man zu vielen Veranstaltungen eingeladen wird − als Best-Practice-Beispiel. Das ist dann verbunden mit Auftritten als Gastreferent, mit Vorträgen. Aber es ist schon immer Teil des Erfolgs unseres Unternehmens und etwas, das wir gern gemacht haben. Auf diese Weise haben uns schließlich viele unserer späteren Kunden kennengelernt. An und für sich gibt es nichts Besseres als eine Veranstaltung mit vielen Menschen. Hier über unser Unternehmen zu sprechen, ist die beste Werbung, die wir bekommen können. Ich bin im Moment fast jeden Monat zwei oder drei Mal als Speaker unterwegs. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Solche Auftritte sind quasi meine Freizeit, mein Hobby.

 

print.de: Wie wird es bei Lokay weitergehen?

Ralf Lokay: Unsere Töchter im Alter von 31 und 28 Jahren wollen andere Wege gehen. Die wissen, was es bedeutet, Unternehmer zu sein − 24 Stunden am Tag, 7 Tage jede Woche. Das wird also die nächste Herausforderung: Den Übergang gestalten. Ich würde natürlich gerne das Unternehmen an jemanden übergeben, der es in meinem Sinne weiterführen kann.

 

RALF LOKAY,

Jahrgang 1967, ist Druckermeister und Drucktechniker. 1993 erwarb er das Familienunternehmen, das aktuell 35 Mitarbeiter hat und das Lokay auch nach 30 Jahren noch immer als „e.K.“ − also als eingetragener, mit seinem Privatvermögen haftender Kaufmann − führt. Der Vater von zwei erwachsenen Töchtern ist ein gefragter Gastredner, wenn es um umweltfreundliche Druckproduktion geht. Viel Zeit für andere Hobbies bleibt da nicht mehr.

 


Das Porträt von Ralf Lokay gehört zu einer Reihe von Interviews und Geschichten über „Menschen in der Druckindustrie“.
Ihr Porträt sowie Reportagen über weitere Menschen, deren Herz heftig für Print schlägt, finden Sie in Ausgabe 16/2023 von Deutscher Drucker. Die gesamte Ausgabe steht im print.de-Shop zur Verfügung.

 

 

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