Kommentar von Michael Paß zur Anpassung der beruflichen Weiterbildung

„Bachelor Professional in Technik“: Nur ein Etikettenwechsel?

DD Insider-Kolumnist Michael Paß
Michael Paß unterrichtet an der Beruflichen Schule 6 in Nürnberg.

Derzeit erfolgt die Anpassung der beruflichen Weiterbildung auf den „Bachelor Professional in Technik“. „Ach ja? Da wird doch nur ein anderes Etikett draufgeklebt und eigentlich ändert sich doch nichts.“ Das könnte eine Meinung sein zum Wechsel, der sich gerade bei uns vollzieht. Jedoch steckt aus meiner Sicht mehr dahinter als ein simpler Etikettenwechsel.


Der neue bayrische Rahmenlehrplan „Druck- und Medientech-niker/-in“ setzt in besonderer Weise auf den Aufbau übergreifender Kompetenzen. Alle Fächer sind komplett überarbeitet, die Inhalte ausschließlich danach ausgewählt, Fachkompetenz, ­Methodenkompetenz, Sozial- und Führungskompetenz aufzubauen. Das Ziel der einzelnen Fächer ist es nicht, zum Prüfungszeitpunkt „Bescheid zu wissen“, sondern es wird konsequent in verschiedenen Situationen das Lösen von Problemen geübt. Dabei eignen sich die Schüler und Schülerinnen Hintergrundwissen an, diskutieren Lösungen, testen verschiedene Handlungsstrategien und kommunizieren im Anschluss die Lösungen.

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Paradigmenwechsel in der Aus- und Weiterbildung

Natürlich ist das ein Prozess, der etwas Zeit braucht – auch und gerade für Schulen als beharrliches System. Aber die Rahmenbedingungen sind klar, sind im Konsens der bayrischen Fachschulen gemeinsam von Nürnberg und München erarbeitet und liegen mittlerweile verbindlich vor.
Das klingt zu sehr nach Werbung? Oder ist nicht konkret genug? Deshalb hier ein Beispiel: Die Zielkompetenz des Faches Personalmanagement lautet: Die Schüler/-innen sind sich der Bedeutung des Personalmanagements im Rahmen der betrieb­lichen Gesamtorganisation bewusst und agieren verantwortungsvoll in den verschiedenen Situationen. Das wird dann noch konkreter ausformuliert. Es geht um das Erfassen von Unternehmenskulturen und Formen der Arbeitsorganisation, um die Motivation von Einzelnen und Gruppen, um Personalentwicklung und Weiterbildung, um Zeitmanagement, eindeutige und verlässliche Kommunikation und auch um Konfliktmoderation. All dies nicht auf der Ebene „ich weiß“, sondern auf der Ebene „ich kann“.

Über diesen grundlegenden Paradigmenwechsel hinaus strebt der Lehrplan auch die Verbindung von Fächern bzw. Lernfeldern an. Das ist eine Aufgabe, der sich nun die Schulen und Weiterbildungseinrichtungen stellen müssen. Dazu sind wir bereit und jederzeit gesprächsbereit, diesen Prozess zu evaluieren und zu verbessern.

Daher ist es auch gut, den Begriff neu zu fassen: Es geht um mehr als Druck- und Medientechnik. Es geht darum, im Bereich Druck- und Medientechnik eine umfassende Kommunikationskompetenz und Führungskompetenz zu erwerben, die auch in der betrieblichen Praxis erfolgreich funktioniert und die Einsatzmöglichkeit für die Absolventen erhöht. Dafür braucht es neben dem hohen Engagement von Schülern und Lehrern auch Zeit. Die zwei Jahre in Vollzeit an der Fachschule sind lang, aber sie sind notwendig, um eben hinterher nicht nur Bescheid zu wissen, sondern auch über das Wissen hinaus alles verlässlich organisieren zu können. Daher der „Bachelor Professional in Technik“.


Michael Paß ist seit 2015 Berufsbereichsbetreuer für die Bereiche Druck, Foto und Medien an der Beruflichen Schule 6 und verantwortlich für die Weiterbildung an der Fachschule für Druck- und Medientechnik in Nürnberg. Der gelernte Bankkaufmann ist seit 2004 im Schuldienst und seit 2006 bei der Stadt Nürnberg. Für Deutscher Drucker schreibt er als “Insider” regelmäßig über die Aus- und Weiterbildung in der Druck- und Medienindustrie. Sein aktueller Kommentar erschien in DD 5/2022.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hört sich gut an. Die fehlende bzw. oft weit hinterher hinkende Praxisorientierung war schon zu meiner Berufsschulzeit ein Thema. Wir haben Dinge gelernt, die in der Praxis so kein Mensch mehr gemacht hat. Das ist aber schon sehr lange her 😉 Schön, dass die Technikerausbildung mehr auf die berufliche Praxis ausgerichtet wird. So ein Ansatz ist immer zu begrüßen.

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  2. Den Ansatz “ich kann” im Bereich Personalführung in eine Schulausbildung zu integrieren, empfinde ich als ambitioniert. Aus meiner Sicht, lernt man führen (ich kann) nur in der Praxis. Mehr als (ich weiß) kann ich mir in einer Schule nicht vorstellen.

    Im Artikel lese ich viel, was alles Neu in die Weiterbildung zum Druck- und Medientechniker kommt.

    Was fällt denn dafür alles weg?!

    Die fachlichen Themen der Druck – und Medientechnik?

    Im beruflichen Alltag sehe ich bei sehr vielen Bewerbern aus dem Techniker/Studienbereich elementare, fachliche Mängel. Dafür können alle schöne Präsentationen halten. Nutzt in der Auftragssachbearbeitung des daily business leider nur wenig.

    Also, welche Inhalte werden denn reduziert um die ganzen neuen Kompetenzen, in gleicher Zeit wie vorher, unterbringen zu können?

    Ein Industriemeister Druck und Drucktechniker.

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    1. Hallo Herr Kleist,

      ich stimme Ihnen hier voll und ganz zu. Führungskompetenz gänzlich zu erlernen, ist nicht möglich, sie zu verbessern, jedoch schon. Wenn ich den obenstehenden Artikel lese, sehe ich hier meine Technikerausbildung (Abschluss 2020) eigentlich 1:1 wiedergegeben. Wir haben hier aber auch genug Fachliches gelernt, u.a. auch die von Ihnen angesprochenen Kalkulationen. Was hierfür weggefallen ist, kann ich natürlich nicht beantworten. Rückblickend muss ich aber sagen, ist die Weiterbildung für mich absolut passend gewesen.
      Gruß ein Druck-/und Medientechniker

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  3. Die neue Abschlussbezeichnung “Bachelor Professional” oder “Master Professional” führt sicherlich zu mehr Akzeptanz der Absolventen. Allerdings handelt es sich immer noch nicht um einen akademischen Abschluss, mit all den Möglichkeiten, die sich in Deutschland daraus ergeben. So ist z.B. der Bachelor von Hochschulen/Universitäten die Vorausssetzung für den gehobenen Staatsdienst und der Master von Hochschulen/Universitäten die Zugangsvoraussetzung für den höheren Staatsdienst (ggf. mit Referendariat). Dies bietet der “Bachelor Professional” und “Master Professional” immer noch nicht und damit ist dieses Abschlussbezeichnung gegenüber den o.a. akademischen Graden weiterhin eine Mogelpackung. Hier sollte endlich eine Gleichwertigkeit geschaffen werden!

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